
In der Sommerpause endete für Torsten Pfennig das Kapitel KSV Hessen Kassel. Sieben Jahre spielte der Kasselaner auf der Position des Ausputzers, die der moderne Fußball eigentlich gar nicht mehr vorsieht. Der 33-Jährige war Pressesprecher, Leiter der Geschäftsstelle und kümmerte sich um jedes, aber auch wirklich jedes Problem, das auftrat. Und davon gab es einige. Blog36 mag solche Typen, daher gehen unsere 3,6 Fragen heute an Torsten Pfennig, der seit nunmehr vier Monaten Geschäftsführer eines ostwestfälischen Damen-Handball-Bundesligisten ist.
Blog36: Hallo Torsten, zum 1. Juli hast du Stadt und Sportart gewechselt und bist nun Geschäftsführer der Bundesliga-Handballerinnen der HSG Blomberg-Lippe. Wie läuft es denn bisher?
Torsten: Die Zeit vergeht wie im Flug. Ich bin jetzt vier Monate in Blomberg und es kommt mir so vor, als ob ich nie etwas Anderes gemacht habe. Im Sport ist das ziemlich normal. Du musst dich mit dem Verein und dem Umfeld voll und ganz identifizieren, sonst kannst du nicht erfolgreich und zielgerichtet arbeiten. Seit Anfang September habe ich eine Wohnung hier bezogen, davor habe ich zwei Monate im Hotel gewohnt. Es gehört zu meiner Philosophie, dass ich vor Ort auch wohne. Oftmals sind abends Veranstaltungen oder Termine. Da kann ich es mir nicht erlauben ständig auf die Uhr zu schauen, weil ich noch heimfahren muss. Ich fühle mich hier in der Region absolut wohl, meine Heimat wird aber immer Nordhessen bleiben – egal wo ich es mich irgendwann mal hin verschlägt. Ich versuche schon regelmäßig nach Nordhessen zu kommen, ins Auestadion habe ich es leider noch nicht wieder geschafft. Das wird sich aber bald ändern. Die Umstellung vom Fußball zum Handball als solches war gar nicht so groß, wie vielleicht viele denken. Im Sportmanagement geht es darum, möglichst viele Zuschauer an Bratwurstbude und Fanstand vorbei auf ihren Platz zu bekommen und ihnen neben einem spannenden Spiel, viele bunte Plakate mit Firmenlogos drauf zu präsentieren. Klingt zwar ein wenig banal, ist am Ende aber so. Natürlich unterscheiden sich die Sportarten und das ganze Umfeld voneinander. Die größte Umstellung war aber um ehrlich zu sein, dass ich nach zwei Jahren im Eishockey und sieben Jahren im Fußball, jetzt das erste Mal mit Frauen zusammenarbeite. Das ist ein größerer Unterschied, als ich selber gedacht und erwartet habe.
Blog36: Du warst beim KSV seit 2009 tätig und trotz jungen Alters über viele Jahre in verantwortlichen Positionen im Verein, du warst Pressesprecher, Geschäftsstellenleiter und irgendwie immer auch Mädchen für alles. Jetzt mit etwas Abstand: Wie fällt dein Fazit der vergangenen sieben Jahre aus?
Torsten: Unterm Strich war die Zeit beim KSV eine wahnsinnig tolle Zeit, die ich niemals missen möchte. Ich habe extrem viele tolle Menschen kennengelernt, Freundschaften geschlossen und unwahrscheinlich viel erlebt. Der schönste Moment war sicherlich der Hessenpokalsieg und die Belohnung mit dem Einzug in den DFB-Pokal für eine sehr anstrengende und nervenaufreibende Saison für mich persönlich. Aber es sind nicht nur die messbaren Triumpfe oder Siege, die unvergessen bleiben. Auch die Organisation und Akquise von den Freundschaftsspielen, z.B. gegen den HSV oder den 1.FC Köln, das ganze Prozedere mit dem DFB-Pokal oder die U-Länderspiele bleiben unvergessen. Es waren aber manchmal auch die kleinen Dinge. Bei Spielen in der Pfalz unter Uwe Wolf zum Beispiel gab es von seinen Eltern immer ein Vesperpaket nach dem Spiel. Da ging es uns auch nach Niederlagen, die es unter Uwe ja nicht häufig gab, auch auf der Heimfahrt nicht unbedingt schlecht. Oder verrückte Momente, als zum Beispiel Jens Rose in die Geschäftsstelle kam und sagte, dass in vier Wochen die U20-Nationalmannschaft von Kamerun zu Besuch kommt und wir mal eben ein Trainingslager organisieren sollen. Am Ende sind es die vielen kleinen Anekdoten, die Belohnung für viel Stress, Ärger und Aufwand waren. Unvergessen bleiben auch die paar Monate mit Rüdiger Abramczik. Was haben wir alle mit ihm und seinen Geschichten gelacht. Natürlich war auch nicht immer alles super. Der bitterste Moment war für mich der verpasste Aufstieg in der Relegation gegen Holstein Kiel. Den Gegner im eigenen Stadion feiern zu sehen, war schon brutal ohne Ende. Es gab im Hintergrund auch immer wieder viele Reibereien und persönliche Befindlichkeiten. Da habe ich einige schmerzhafte Erfahrungen machen müssen, aber persönlich auch ganz viel gelernt. Das kommt mir jetzt auch in Blomberg zu Gute, wo alles viel ruhiger zugeht und man nicht so extrem im Fokus steht. Ich habe gelernt, fachliches und persönliches ganz strickt zu trennen. Das ist viel Wert, weil man dann den Menschen hinter den Entscheidungen und Gedanken nicht vergisst. Ich denke oft und gerne an die Zeit beim KSV zurück und der Verein wird bei all dem was bei mir vielleicht noch kommen wird, immer einen ganz besonderen Platz und Stellenwert einnehmen. In Blomberg habe ich ein Zimmer der „positiven Erinnerungen“. Klingt vielleicht ein wenig abgefahren, aber da hängen Spielertrikots, viele Fotos und Plakate. Wenn es mal nicht rund läuft, ziehe ich mich abends gerne dorthin zurück, um ein wenig geerdet zu werden und neue Kraft zu tanken. Da ich mit meinem Job und dem Umfeld hier extrem zufrieden bin, vermisse ich sehr wenig. Ich habe noch Kontakt zu vielen alten Weggefährten und so hält sich das „Heimweh“ in Grenzen. Ich versuche aber immer die KSV-Spiele im Liveticker zu verfolgen, lese auch regelmäßig die Beiträge des KSV in den Medien. Ich schreibe und telefoniere noch sehr oft mit einigen Verantwortlichen, Spielern und Trainern – auch vergangener Tage. Das Team auf der Geschäftsstelle fehlt mir schon mit am meisten. Es hat mir unwahrscheinlich viel Spaß bereitet und wir haben sehr eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Genauso wie das Medienteam. Wir waren nicht immer alle einer Meinung, aber haben alle für die gemeinsame Sache gearbeitet. Das hätte ich mir an der einen oder anderen Stelle auch gewünscht. Neulich habe ich alte Videos von Christian Hedler und Tobi Zeller bei Youtube gesehen. Momentaufnahmen aus der Kurve. Das löst bei mir jedes Mal noch Gänsehaut aus. Sowas gibt es beim Handball leider nicht. Das ist auch eine Sache, die ich vermisse – die gesamte Kasseler Fankultur. Auch wenn sie oft in die Kritik gerät, kann der Club darauf verdammt stolz sein.
Blog36: Wie beurteilst du den neuen Weg der Regionalität, den der KSV eingeschlagen hat und was denkst du, wie sich der KSV in den kommenden Jahren entwickeln wird?
Torsten: Der Weg der Regionalität ist der einzige Weg, der funktionieren kann in dieser Spielzeit. Teilweise habe ich die Planungen ja noch aus erster Hand mitbekommen. Aus der Ferne sage ich, dass der KSV aus der Not eine Tugend gemacht hat. Jeder kämpft für jeden und alles rückt wieder enger zusammen. Natürlich gibt es viele Baustellen intern, aber es werden Dinge endlich konstruktiv von allen Seiten angesprochen und angegangen. Die Saison wird noch sehr lang werden und es wird sicher auch noch zu einigen Rückschlägen kommen. Ich gehe davon aus, dass der KSV bis zuletzt im Abstiegskampf stecken wird. Die Liga ist unfassbar eng, zwei oder drei Niederlagen am Stück darf man sich nicht erlauben. Ich würde es vor allem Tobi Cramer gönnen, dass er mit der Mannschaft maximalen Erfolg hat. Er ist ein feiner, wenn auch manchmal leicht verrückter Kerl, aber mit sehr viel Sachverstand und einem klaren Plan ausgestattet. Viele haben ihm so einen Saisonstart nicht zugetraut und ihn vor der Saison abgeschrieben. Die gleichen stehen jetzt natürlich neben ihm und sagen, dass sie immer gewusst haben, dass die Entscheidung ihn zum Chef-Trainer zu machen, richtig war. Neben der Mannschaft wünsche ich auch den vielen fleißigen Helfern und Mitarbeitern rund um den KSV, dass Ruhe einkehrt. Es geben so viele ihr letztes Hemd für den KSV, opfern Zeit oder nehmen viele schwere Hürden in Kauf, um den Club zu unterstützen. All diese Menschen haben es verdient, dass der KSV wieder zum echten Leuchtturm in Nordhessen wird und das wankende Gebilde ordentliche Stützpfeiler bekommt. Eine Prognose für die kommenden Jahre kann ich nicht vornehmen. Dafür bin ich auch zu weit weg.
Blog36: Die 3,6te Frage in dieser Rubrik hat immer die Fankultur zum Gegenstand: Wie sieht die eigentlich in Blomberg aus und wie vermarktet man als Geschäftsführer Damen-Handball? Und wo wir grad dabei sind: Was würdest du springen lassen, damit Blog36 mal nach Blomberg kommt um da ähnlich geil abzuliefern, wie Woche für Woche beim KSV? Wir sind ja bekanntlich käuflich…
Torsten: (lacht) Ach, ihr seid doch mit Geld gar nicht zu bezahlen, deswegen probieren wir das erst gar nicht. Aber über Freibier können wir sicher verhandeln. Bei uns in Blomberg kommen knapp 1.000 Leute zu den Heimspielen. Mehr passen nicht in die Halle an der Ulmenallee. Wir sind dran an Plänen zu arbeiten, die Halle nochmal zu erweitern, aber das kann noch ein paar Monate dauern, bis diese konkreter werden. In der Vermarktung haben wir den Vorteil, dass die Menschen in Lippe ein sehr hohes Maß an regionaler Identität haben. Wir haben ein sehr familiäres Umfeld, wo jeder Sponsor sehr gut aufgenommen wird. Bei uns kommen die Unternehmer in entspannter Atmosphäre schnell und gut ins Gespräch. Dazu ist die Sportart extrem schnell und athletisch. Das hätte ich selber so auch nicht erwartet, wenn ich ehrlich bin. Dazu ist es noch gut anzusehen. Aus meiner Sicht gibt es hier einen klaren Wachstumsmarkt. Wir haben ein gutes Produktportfolio in den letzten Wochen aufgebaut und vorhandene Sachen optimiert. Dazu haben wir ein Mikrosponsoringkonzept entwickelt. Wichtig ist es, jedem das Gefühl zu geben, wirklich mitgenommen zu werden.
Blog36: Das überzeugt uns. Das Freibier auch. Mal sehen, die Winterpause in der Regionalliga ist lang, da kann einem schon mal langweilig werden. Warum nicht mal Damen-Handball in OWL? Torsten, vielen Dank für das nette Gespräch und alles Gute für die anstehenden Aufgaben in Blomberg!