Am Mittwoch gastiert der KSV in Walldorf, einer Kleinstadt südlich von Heidelberg im Rhein-Neckar-Kreis mit etwa 15.000 Einwohnern. Hier erinnert auf den ersten Blick vieles an Märklin-Modellbau-Stilisierungen deutscher Provinz: Ausnahmslos akkurat verputzte Häuser umringen die evangelische Stadtkirche als das höchste Gebäude im Ort. Die Hauptstraße biegt ganz selbstverständlich in die Bahnhofstraße ein. Hier lernt man sein erstes und letztes Date in der Tanzschule Kroneberger kennen. Wie es sich gehört knutscht man das erste mal mit ihr im Freibad am Ortsrand. Der Höhepunkt im Leben frischverliebter Walldorfer ist der erste Beziehungsstreit. Der findet auf der alljährlichen „Kerwe“ (Kirchweihfest) statt. Das sieht dann meistens so aus: Für die Liebste wird am Schießstand eine Rose geschossen. Die Trophäe soll im Vorhinein um Verzeihung für das bitten, was am Abend noch passiert. Denn entweder findet die Feier ein jähes Ende wegen einer verlorenen Keilerei am Autoscouter. (Stunk immer vorpogrammiert.) Oder aber weil man nach der Vesperplatte, ein, zwei Biere und ein paar Viertel Wein mehr getrunken hat als die Jahre davor. Beschwingt von dem feinen Tropfen wagt der ein oder andere Wolldorfer dann doch mal ein flottes Tänzchen – aber nicht mit der aus der Tanzschule. Das wiederum führt zu Missmut bei der von der Tanzschule. Da beschwichtigt auch keine geschossene Rose. (Auch Stunk vorprogrammiert.)
Kurzum: Das Leben in Walldorf wäre ganz normal, unscheinbar und alles andere als außergewöhnlich, hätte es nicht einen reichen Mann aus Walldorf weg- und einen anderen hingezogen.
Da ist zum einen Dietmar Hopp. Zusammen mit vier anderen ehemaligen Kollegen von IBM gründete er im Jahr 1972 das Softwareunternehmen „SAP“ in Walldorf. Seitdem besteht die Stadt nicht mehr nur aus Provinz. Etwa die Hälfte Walldorfs ist heute Gewerbegebiet. Der Ort fristet ein Doppelleben: Während im Norden der Stadt auf der „Kerwe“ um Beziehungen gestritten wird, stellen im südlichen Gewerbegebiet Weltmarktführer wie SAP oder aber auch die Heidelberger Druckmaschinenwerke mehr Arbeitsplätze, als der Ort Einwohner zählt.
Die SAP Firmengründung machte Hopp zu einem der reichsten Männer Deutschlands. Sein Unternehmenserfolg ermöglicht ihm heute sein sympathisches Hobby: Fußballmäzenatentum. Mittlerweile macht sich das nicht nur in Hoffenheim, sondern auch in Walldorf bemerkbar. Die Brust des FC Astoria ziert das SAP Logo. Lagen früher neben dem (Knutsch-)Freibad zwei Ascheplätze, bescherte die Dietmar Hopp Stiftung dem FCA jüngst einen schnieken Sportpark. Voller Demut benannte der Verein im letzten Jahr die Anlage „zu Ehren“ des „großen Gönner und Freund“ in „Dietmar-Hopp-Sportpark“ um. Hier kickt der FC Astoria nun schon die dritte Regionalliga-Saison.
Die kulinarischen Auswärtsfahrt hätte der Dreieinigkeit aus Hopp, SAP und FC Astoria gerne Rechnung getragen. Ich habe deshalb bei SAP angerufen und das Telefonat aufgezeichnet:
Ich: „Hallo, hier ist blog36. Ich hätte gerne Dietmar Hopp gesprochen“
SAP Frau: „Guten Tag blog36, der Dietmar kann gerade nicht. Vielleicht kann ich ihnen aber behilflich sein?“
Ich: „Ich möchte gerne in der SAP Kantine am Dienstag essen. Wenn es geht mit Dietmar Hopp. Richten sie das doch bitte für mich ein!“
SAP Frau: „Ähm… Das geht auch nicht. Die Kantine hat Dienstag geschlossen. Feiertag.“
Ich: „Huch? Feiertag? Bei uns nicht! Gut, wenn das so ist: Geben sie doch bitte Herrn Hopp meine Nummer. Ich würde mich dann anlässlich unseres Hoffenheimauswärtsspiels Ende März über eine Privataudienz bei ihm freuen. Wissen sie: In Fußballstadien wird ja seit vielen Jahren böse über ihn geredet. Ich würde gerne bei einem Essen mal den Menschen Dietmar Hopp kennenlernen. Bei der Gelegenheit würde ich dann zum Beispiel auch mal fragen, was seine Mutter wirklich arbeitet.“
SAP Frau: „Ich klebe Herrn Hopp gerne eine post-it-Notiz auf den Schreibtisch. Auf Wiederhören, Herr Blog36.“
Ich: „Danke! Auf Wiederhören“
Ich verspreche hiermit, dass ich mich bei SAP wieder melde, sollte Dietmar den Zettel übersehen.
Weil es diesmal nicht mit dem Essen bei Hopp klappt, wird nicht der Namensgeber des Stadions als Inspiration für das Essen der kulinarischen Auswärtsfahrt herhalten müssen, sondern der des Vereins: Die Astoria ist nämlich nach Johann Jakob Astor benannt, dem weltweit bekanntesten Walldorfer. Als der Ort noch kein Gewerbegebiet hatte und selber nicht größer als ein Bauerndorf war in dem Hopfen, Tabak und Spargel angebaut wurde, zog es den 16 Jährigen Johann Mitte des 18. Jahrhunderts in die USA. Nach einer wahrlich aufregenden Überfahrt suchte der Wirtschaftsflüchtling wie etliche andere Deutsche seiner Generation sein Glück in Übersee. Astor fand es. Vor allem über eine schlaue Heirat (und auch über Pelzhandel und Immobilienbesitz) wurde er zum reichsten Mann seiner Zeit und zum ersten Multimillionär der USA. Das Forbes Magazin führt den gebürtigen Walldorfer in seiner Liste der reichsten US-Amerikaner aller Zeiten noch heute auf Platz vier. Astors Urenkel William Waldorf Astor und John Jacob Astor IV. gründeten später das berühmte Hotel „Waldorf=Astoria“ in New York, das vermutlich nach dem traditionsreichen Fußballverein FC Astoria Walldorf benannt wurde. In der Küche des Hotels entstand der weltweit bekannte Waldorfsalat. Ob Dietmar Hopp den gerne ist, frage ich ihn dann bald persönlich. Versprochen!
Warum diese seltsame Rubrik? Das erfährst du hier.
John Jacob Astor, der Namensgeber der FC Astoria, interessierte sich nach Blog36 Informationen gar nicht für Fußball (Foto: Gilbert Stuart, via Wikimedia Commons).
Walldorfer Waldorfsalat 1 Knollensellerie Salz 1 Zwiebel 2 rotschalige Äpfel ½ Zitrone 120 g Mayonnaise Pfeffer aus der Mühle 3 EL weißer Balsamessig 50 g gehackte Walnüsse Sellerie waschen, schälen und mit einer Selleriehobelmaschine in feinen Stifte hobeln. Anschließend in Salzwasser blanchieren, abgießen, kalt abschrecken und gut abtropfen lassen. Die Zwiebel abziehen und fein würfeln. Die Äpfel waschen und mit einer Kernhausausstechermaschine das Kernhaus heraus fräsen. Anschließend auch in feine Stifte hobeln mit einer Apfelhobelmaschine. Die Zitrone auspressen und den Saft mit den Apfelstiften mischen. Sämtliche Salatzutaten miteinander vermengen und abschmecken. Den Salat mindestens 30 Minuten ziehen lassen.
Alles Supi – bis auf die Lüge mit dem Feiertag!
Hier hättest Du stutzig werden müssen. Da hat Dich die SAPstädterin voll angeschmiert.
Allerheiligen ist ja heute – Dienstag, das Spiel aber erst am Mittwoch…
Vorsicht, die sind listig da unne – gleich den Cralle anrufen!
Der soll bloß uffbasse.
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Hallo Uli, vielen Dank für deine aufmerksame Lektüre! Das freut mich sehr.
Die SAPlerin hat mich allerings nicht angelogen. „Allerheiligen“ ist gesetztlicher Feiertag in BaWü. Da hat die Kantine bei SAP geschlossen. Schau mal hier: http://sap-lunch-menu.appspot.com/. Warum ich versucht habe Dienstag bei SAP zu essen? Ganz einfach: Bis Mittwoch muss doch der Beitrag für die treuen Blog36 Leser fertig sein. Recherche muss früher laufen.
Rot-Weiße Grüße vom Cuisinier36
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Uli, habe das etzt erst gesehen: Der Fehlerteufel hat sich bei Dienstag/Mittwoch eingeschlichen.
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