Mal wieder zu früh gefreut

Noch nie gab es so viel sportliche Kompetenz beim KSV Hessen Kassel. Endlich gibt es einen Geschäftsführer, einen Sportdirektor, einen Trainer mit A-Lizenz, dazu gleich drei Co-Trainer. Geil! Und seitdem der Klassenerhalt feststeht, schwappt auch eine Transfermeldung nach der anderen über das Löwenrudel. Das Ganze scheint so professionell zu laufen, dass sich im Forum schon über die vermeintlich konstante Garderobe der Verantwortlichen ausgetauscht wird. Geil abgeliefert also, diesmal wirklich. Wäre da nicht diese eine Identifikationsfigur, die den Löwen ins Auestadion pisst.

Die Rede ist von Adrian Bravo Sanchez, der fünf Jahre für den KSV Hessen spielte (166 Spiele, 24 Tore, 48 Vorlagen) ehe er im Sommer 2021 zum ambitionierten West-Regionalligisten Rödinghausen wechselte. Sein Abschied aus Kassel war von viel Wehmut begleitet worden. Ein echter Kasseler Junge, der sich aufopferte und immer loyal zum Verein und seinen Fans stand. Alle waren sich sicher: Der kommt irgendwann wieder, aber jetzt tob dich erstmal im Westen aus. Schon nach zwei Jahren in NRW keimte dann – überraschend früh – die Möglichkeit auf, dass ABS vielleicht schon vor einer Rückkehr stehen könnte. In Rödinghausen wurde nicht mehr mit ihm geplant und beim KSV stand sowieso ein Umbruch an. Doch es kam nicht dazu, Adrian spielt in der nächsten Saison für die Reserve des SC Paderborn. Die Umstände seines Wechsels kommen erst jetzt ans Licht, und die tun den Löwenherzen weh.

Nicht wenige hatten sich schon im Mai gewundert, warum ABS zu den Ostwestfalen wechselt, statt wieder nach Hause zu kommen. Lockt ihn etwa das große Geld? Traut er sich den Sprung in den Zweitliga-Kader zu? So oder so, in Kassel wäre es ihm gegönnt worden. Einmal Löwe, immer Löwe – bei ihm kein bloßer Spruch. Während manche Ex-Spieler dieses Kredo mit Füßen treten und in Frankfurter Kläranlagen landen, war Adrian immer ein Raubtier im Herzen.

Das Spieljahr ist formell noch nicht mal abgeschlossen und schon tickt beim KSV Hessen Kassel eine neue Stimmungsbombe. Die HNA berichtet über die Hintergründe zu Bravo Sanchez und der neuen sportlichen Leitung der Löwen. Kurzum: Ein kommunikatives Desaster bahnt sich an und wie fast immer steht der Verein als Buhmann da. „Ich wäre mit dem KSV auch in die Hessenliga gegangen, hätte auf Geld verzichtet“, zitiert die Zeitung den 29-Jährigen. Jackpot, denkste dir. Geiler Spieler und geiler Typ, der eigentlich nur eins will: wieder im Auestadion spielen. Doch warum auch immer, scheint man das an der Damaschkestraße anders zu sehen.

„Ich sehe ihn eher auf der Zehn, wo wir mit Sercan Sararer besetzt sind. Aktuell ist er nicht der Spieler, den ich suche. Ich muss auch auf das Budget schauen, und da gibt es derzeit andere Prioritäten“, äußert sich der neue (starke?) Mann beim KSV, Sören Gonther. Der Ex-Profi bekommt von weiten Teilen der Gefolgschaft einiges an Vertrauen vorgeschossen. Richtig so, schließlich scheint er ein aufgeräumter Typ mit gutem Netzwerk zu sein. Dazu der regionale Bezug. So einen brauchen die Löwen schon lange. Gut, dass es nun endlich geklappt hat.

Die Erklärung Gonthers macht den gemeinen Blog36-Pöbler jedoch stutzig. Plant der KSV also ohne doppelte Besetzung auf der so wichtigen und lange vernachlässigten 10er-Position? Sicher, Sararer ist ein absoluter Qualitätsspieler, der dem Spiel der Damm-Truppe guttut und in der abgelaufenen Rückrunde wichtige Tore geschossen hat. Doch der Mann ist 33 Jahre alt, nicht der lauffreudigste und bringt eine gewisse Verletzungsgefahr mit sich. Das ist keine Kritik an Sararer, sondern der Versuch einer sachlichen Bedarfsanalyse. Bedarf haben die Löwen nach einigen Abgängen (Dawid, Döringer, Schmitt und Pulululu) auch auf den Außenpositionen. ABS kann das spielen, ist aber auch nicht der schnellste – das ist wohl ein entscheidendes Kriterium.

Ich möchte nur klarstellen, wie es abgelaufen ist.

Adrian Bravo Sanchez im HNA-Interview

Bleibt die Kohle und die Mentalität. Wenn ABS sagt, es ginge ihm nicht ums Geld, kann man ihm das wohl glauben. Ähnliches war schon vorher aus den Gremien zu hören. Zudem hat der KSV schon immer Kreativität beim Gleisbau externen Finanzieren von neuen Spielern gezeigt. Wo ein Wille, da auch eine Lok. Was die Mentalität angeht, so spielt Adrian unbestreitbar in der Champions League der Identifikationsfiguren. Jeder liebt ihn und fühlt sich von ihm geliebt, so einfach ist das mit 3,6 Promille und Nordkurvenbrille.

Wirklich jeder? Scheinbar nicht, zumindest deutet das Adrian im HNA-Interview mit kleinen Sticheleien an. „Manche sind an Positionen gekommen, wo ich fachlich nicht davon überzeugt bin, dass sie dazu in der Lage sind“, sagt er dort und stellt gleich klar, dass Gonther nicht gemeint sei. „Das alles soll kein Nachtreten sein. Ich möchte nur klarstellen, wie es abgelaufen ist. Warum es mit der Rückkehr nicht geklappt hat.“ Das Löwenherz zerreißt angesichts solch tiefer Enttäuschung.

Blog36 wird sich an dieser Stelle nicht an Spekulationen beteiligen und keine Verdachtsberichterstattung zum mutmaßlichen Übeltäter abliefern. Für qualifizierte Aussagen gibt es schließlich das Forum und die olle Facebook-Gruppe. Beobachter des Vereins dürften keine Probleme dabei haben, eine Idee von den Vorgängen zu haben, zumal der Kreis der Neuen überschaubar ist.

Die gerade erst installierte sportliche Führung hat sich also die erste Feuerprobe beschert und sorgt mit zumindest unglücklicher Kommunikation für Irritation. Doch auch der Stil gegenüber Adrian wirft Fragen auf, folgt man seinen Darstellungen in der HNA. Demzufolge war es vor allem Adrian selbst, der an seinem Berater vorbei den Kontakt zum KSV gesucht und sich regelrecht angeboten hat – trotz anderer Angebote aus der Regionalliga Südwest. Er wollte nur eins: näher an die Heimat.

Die Löwenfans, die sich mal wieder zu früh über die neue Professionalität gefreut haben, brauchen also weiterhin starke Nerven. Und die Hoffnung, dass sich die Entscheidung gegen ABS nicht rächt. Adrian wird auch weiter einen großen Platz in ihren Herzen haben. Hoffen wir, dass die Käfigtore nicht für immer geschlossen bleiben und seine öffentliche Kritik ihm eine spätere Rückkehr nicht verbaut. Die sportliche Leitung wird schnell lernen müssen, wie hoch der Druck von den Rängen sein kann und dass Zusammenhalt und Identifikation in der Südstadt über allem stehen. Vorgänger, die das nicht begriffen haben, mussten teure Designerküchen mit fettem Minus verkaufen oder dürfen jetzt Geld beim OFC verbrennen.

Hier könnt ihr den gesamten Artikel der HNA nachlesen.

Ein Gedanke zu “Mal wieder zu früh gefreut”

  1. Schade! Er hatte für den KSV gekämpft, wie kaum ein anderer! Es war bestimmt ein Fehler! Zumal es Ihm wohl auch am Herzen lag!

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