Das Corona-Virus und die Hessenliga: Wie geht es weiter?

Der Fußball steht derzeit still. In Europa, in Deutschland, in Hessen, in Kassel. Die Ausbreitung des COVID19-Virus treibt die Fußballverbände in eine nie dagewesenen Zwangspause. Die Zeit steht still. Es ist gerade einmal ein Monat vergangen, als wir uns fragten, ob die Absage des Heimspiels am 14. März gegen Hanau 93 denn nicht doch vielleicht etwas übertrieben sei.

In unserem wunderschönen Éstadio del Aue ist Platz für 18.000 Leute, es kommen derzeit im Schnitt 1.400. Man könne doch Abstand halten, dann wird das doch schon irgendwie klappen – so oder so ähnlich dachten viele Löwen, denn sie hofften inständig, dass die nach der Winterpause begonnene Fortsetzung unserer Serie mit Kantersiegen gegen Rot-Weiß 08 Hadamar und gegen den SC Hessen Vierzunull-eich sich nicht von irgendwelchen Ereignissen auf einem Wildtiermarkt in Wuhan aufhalten lassen dürfe. Wenige Tage, etliche Pressekonferenzen, viele Schreckensmeldungen aus Nachbarländern, bundesweit Tausende Neu-Infizierte und ein paar städtische Allgemeinverfügungen später war klar: Ein Corona-Shutdown ist unvermeidlich. Mitte März wurden in Kassel zunächst Versammlungen mit mehr als 100 Personen verboten (ein bisschen mehr kommen ja dann doch noch ins Auestadion), dann wurde das soziale Leben in der Öffentlichkeit immer weiter eingeschränkt – ihr kennt das alles. Folge: unser Super-Heimspiel-März fiel nahezu komplett ins Wasser, der Ausbau der Serie ist erstmal vertagt.

Auestadion
Nicht viel los derzeit im Auestadion; Bild: Blog36

Und wie geht es nun in der Hessenliga weiter?

Wir haben uns diese Frage früh gestellt. Die einzige Person, die in diesen verwirrenden Zeiten gerade eine kompetente Antwort auf eigentlich jede Frage zu haben scheint, schwieg beharrlich: Professor Christian Drosten von der Berliner Charité ließ die Anfrage von Blog36 unbeantwortet.

Doch Anfang April meldete sich dann der DFB in Gestalt von Vizepräsident Dr. Rainer Koch zu Wort und brachte etwas Licht ins Dunkel. Der DFB hebt den Grundsatz, dass eine Saison am 1. Juli eines Kalenderjahres beginnt und am 30. Juni des Folgejahres endet für eine Dauer von 15 Monaten auf, so Koch. Man wolle allen Vereinen unterhalb der 3. Liga die Möglichkeit geben, „so flexibel wie möglich auf diese Ausnahmesituation und neue Entwicklungen zu reagieren.“ Bedeutet konkret, dass „die laufende Saison, sofern nötig und kein Abbruch gewollt ist, in allen Spielklassen über den 30. Juni 2020 hinaus verlängert werden kann.“ Das Spieljahr 2020/21 könne zu einem späteren Zeitpunkt beginnen oder notfalls sogar ganz oder teilweise entfallen. Hört, hört!

Man traut es sich kaum zu sagen, aber die Aussagen des DFB sind zunächst durchaus positiv zu bewerten. Der Hessische Fußballverband und die Vereine der Hessenliga haben es nun selbst in der Hand zu entscheiden, wie es weitergehen soll.
Einige Befürchtungen, die sich aus der unklaren Situation der vergangenen Wochen ergeben haben, scheinen damit vom Tisch bzw. verlieren ihre Begründung: so stand im Raum, bei der Entscheidung über Auf- und Abstieg könne nur die Hinrunde gewertet werden. In diesem Fall hätte der KSV aufgrund eines holprigen Saisonstarts deutlich das Nachsehen gehabt. Ebenfalls unwahrscheinlich erscheint derzeit die Option, dass die Tabelle zum jetzigen Standpunkt eingefroren wird. Stadtallendorf wäre Meister, Hessen Kassel Zweiter – doch wie sollten dann Relegationsspiele stattfinden? Ebenso vom Tisch dürfte die Annullierung der laufenden Saison sein – wie zum Beispiel im englischen Amateurfußball bereits geschehen. 

Nein, die Aufhebung des 30. Juni als Stichtag durch den DFB ist ein erster richtiger Schritt. Sie gibt Verband und Vereinen aus sportlicher Sicht das, was sie jetzt am dringendsten brauchen: Zeit. Noch ist unklar, wann das gesellschaftliche Leben wieder hochgefahren werden kann, wann Schulen und vor allem Kneipen wieder öffnen. Die Ankündigung, notfalls sogar komplett auf die Saison 2020/21 verzichten zu wollen verschafft allen Beteiligten erstmal Luft. Man kann zum Beispiel darüber nachdenken, die Saison im Sommer oder Herbst als Geisterspiele weiterzuführen – Baunataler Normalzustand sozusagen. Oder man spielt bestimmte Spiele nur vor einer begrenzten Anzahl an Zuschauern. Oder man wartet jetzt einfach ein Jahr und spielt die Runde im kommenden Jahr so weiter wie eigentlich in diesem Jahr gedacht – alles denkbar, nur sollte man mit Blick auf unseren alternden Kader beachten, dass in naher Zukunft Teile unserer Mannschaft selbst zur Corona-Risikogruppe zählen könnten (dem Altherren-Blog36 sei diese düstere Bemerkung bitte verziehen).

Der HFV könnte es sich aber auch noch einfacher machen und Hessen Kassel zum direkten Aufsteiger erklären. Dafür spricht die Bilanz seit Beginn der Übernahme des Trainergespanns Tobi Damm/Buschi von 10 Siegen aus den letzten 11 Spielen bei einem sensationellen Torverhältnis von 48:7. Alternativ könnten die Löwen dem HFV auch anbieten, die Runde im e-football zu Ende zu spielen. Dies wäre ein epdimieologisch sensationelles Zeichen im Zeitalter von Kontaktverboten – schließlich sind auch andere Beschäftigte zurzeit ans Home Office gefesselt. Schön, dass wir mit unserer e-Sportsabteilung für diesen Fall gewappnet wären.

Doch bei allem Grund zum Optimismus, dass diese Saison auf die ein oder andere Weise fortgesetzt wird, bleibt eine gigantische Unbekannte, denn noch kann niemand absehen, wie es die Vereine schaffen, aus der Krise rauszukommen. Welche Sponsoren
werden gezwungen sein, ihr Engagement zum 30.06. einzustellen? Auf dem Löwen-Trikot prangert das Logo eines Reiseveranstalters, dessen Umsätze gerade gegen Null gehen. Ebenso sorgen muss man sich um die vielen Kleinst- und Kleinunternehmen, die der Vorstand mit einem Mikrosponsoring-Konzept in den vergangenen Jahren in mühevoller Arbeit gewinnen und an sich binden konnte. Kurzarbeitergeld, Liquiditätszuschüsse, Bankenkredite und Staatsbürgschaften in allen Ehren, aber: die jetzt entgehenden Einnahmen bekommen diese Unternehmen niemals
wieder reingefahren.

Steigt also am Ende in der Hessenliga der Verein auf, der es schafft, lang genug seine Truppe weiter zusammenhalten  zu können? Werden die kleinen Dorfvereine in der Hessenliga die Runde mit der A-Jugend zu Ende spielen, weil
die örtlichen Autowerkstätten, Gerüstbauer und Verpackungsmittelhersteller ihre Zahlungen einstellen müssen? Dr. Rainer Koch vom DFB forderte kürzlich staatliche Hilfen für Amateurvereine, um die Einnahmeausfälle der Vereine durch fehlende Zuschauereinnahmen und unsichere Sponsorenverträge aufzufangen. Doch inwieweit ist ein Schutzschirm für Amateurclubs gesellschaftlich vermittelbar? Ist es vertretbar, dass Rot-Weiß Hadamar mit Staatsknete seine Rumpeltruppe am Leben hält, während gleichzeitig Millionen von Menschen trotz Kurzarbeitergeld auf Hartz IV runterfallen?

Wenn die Zeiten des „social distancing“ irgendwann überwunden sind, werden gewaltige Probleme auf uns und die anderen Vereine zukommen, die das gesamte System ins Wanken bringen könnten. Unser KSV scheint finanziell durch kompetente Verantwortliche, nachhaltiges Wirtschaften und eine transparente Informationspolitik in vergleichsweise ruhigem Fahrwasser. Doch ob das reicht, im drohendem Sturm zu bestehen, wird sich zeigen. Fans und Unterstützer*innen der Löwen dürfen im Löwen-Fanshop gern einen Beitrag zur finanziellen Solidität unseres Vereins leisten.

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Foto: Blog36

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