Adrians Abgang: Viele Fragen zur Kaderplanung

Während die Löwen derzeit um jeden Punkt für den Klassenerhalt kämpfen, hatten die letzten Wochen bereits einige Entscheidungen zu bieten, die über das Ende der Endlos-Saison 2020/21 hinausgehen. Die wichtigen Vertragsverlängerungen von Trainergespann, Kapitän und Brändy, die Neu-Verpflichtung eines Baunataler Talents sowie die geplanten Umstellungen bei der der A-Jugend sowie der U23 waren die Positiv-Schlagzeilen der vergangenen Tage.

Doch die Ankündigung von Adrian Bravo Sanchez, ab der kommenden Saison für den SV Rödinghausen in der Regionalliga West aufzulaufen, wirft Fragen auf: Wie ist es eigentlich um die finanzielle Situation des KSV bestellt, wenn es nicht gelingt, ambitionierten Leistungsträgern und absoluten Identifikationsfiguren halbwegs akzeptable Vertragsangebote zu unterbreiten? Wie viele Löcher hat das scheiß Corona-Virus eigentlich ins Portemonnaie der Löwen gefressen? Und was bedeutet das für die kommende Saison in der Regionalliga, der wir hoffentlich auch angehören werden?

Adrian sagt, er sucht in Rödinghausen eine neue Herausforderung. Mag ja sein dass das so ist – auch wenn sich einem beim Gedanken an ein Leben am Arsch von Ostwestfalen der Nervenkitzel nicht unmittelbar erschließt. Es ist aber nur schwer vorstellbar, dass der 27-jährige ABS, der jetzt ins beste Fußballeralter kommt und in den letzten fünf Jahren beim KSV zu einem mehr als regionalligatauglichen Leistungsträger gewachsen ist, hier in seiner Heimat einfach mal mirnichtsdirnichts die Flinte ins Korn wirft. Unlängst ist bekannt, dass sich die Vertragsverhandlungen mit den Spielern des aktuellen Kaders bisher als schwierig erwiesen haben – und dazu zählen eine Menge Führungsspieler. Wie soll es also weitergehen?

Vor einigen Wochen erschien in der HNA ein beachtenswertes Interview mit KSV-Finanzvorstand Swen Meyer. Meyer ist der Architekt des Etats, er ist dafür verantwortlich, dass seit dem Abgang von Dirk Lassen der KSV nach innen und nach außen endlich das Bild eines verantwortungsvoll und solide wirtschaftenden Vereins vermittelt. Seine Präsentationen auf den Jahreshauptversammlungen, die Balken- und Tortendiagramme, das Erklären der Bilanzsummen: man hat das Gefühl im Grundkurs BWL zu sitzen und vom Dozenten Meyer gut mitgenommen zu werden. Alles transparent, alles ehrlich. In diesem Interview machte Meyer deutlich, wie eng das finanzielle Korsett und wie groß die Planungsunsicherheit ist. Die Aussage „Ich bin keinem Spieler etwas verpflichtet. Ich bin den Mitgliedern und Fans des Vereins sowie den Sponsoren verpflichtet“ ist Balsam auf die insolvenzgeschundene Löwen-Seele. Und dennoch deutet sie darauf hin, dass es mitunter etwas im Gebälk quietscht. Noch einige wichtige Spieler stehen ohne Vertrag da: Neuzugang Robin Urban, dazu Brian Schwechel, Basti Schmeer, Nils Pichinot und nicht zuletzt natürlich Mahir Saglik. Und es hat den Anschein, dass der Verein bei der jetzigen Kaderplanung stark darauf baut, dass die Spieler ein Höchstmaß an Verständnis für die derzeitige Situation mitbringen, auch weil es ihnen in der Region an Alternativen fehlt. Ob das gut geht? Bei Adrian ging es jedenfalls schonmal schief.

Es ist höchst unklar, wie sich der Regionalligafußball nach der Pandemie entwickeln wird. Natürlich sind von den Corona-Einbußen alle betroffen – nur wahrscheinlich alle auch in stark unterschiedlichem Ausmaß: Vereine wie wir, der OFC oder Ulm sind auf Ticket-Einnahmen weitaus mehr angewiesen als die Dorfclubs aus Bahlingen, Steinbach und Walldorf. Dazu ein Sponsor im Hintergrund, den die Krise nicht erwischt hat und – zack – werden vielleicht sogar mittelmäßige Mannschaften im nächsten Jahr um den Aufstieg mitspielen können. Mehr denn je kommt es also auf die Sponsoren-Struktur des jeweiligen Vereins an. Und irgendwie ist das ja auch Zufall: wer hätte gedacht, dass ein Reiseveranstalter wie Schauinsland uns deshalb verlassen muss, weil es eben ein Reiseveranstalter ist und nun nicht mehr gereist wird? Der SV Rödinghausen beispielsweise wird von einem Küchenhersteller finanziert. Unter der Krise gelitten hat dieser in der Krise sicher nicht. Jedenfalls wird Corona das gesamte Regionalliga-Gefüge im kommenden Jahr kräftig durcheinanderwirbeln. Wo sich unsere Löwen dabei einsortieren werden ist noch überhaupt nicht absehbar.

Anlass zur Hoffnung gibt ein Blick in den Jugendbereich: unsere U19 steht nahezu unbemerkt an der Spitze der Hessenliga. Durch die Entscheidung des Hessischen Fußballverbandes, die Saison im Amateurbereich abzubrechen, ist hier noch die Frage offen, wie die Aufstiegsfrage geregelt wird. Spielen die Junglöwen in der kommenden Saison in der A-Jugend-Bundesliga, wäre das nicht nur eine an sich schon ziemlich geile Angelegenheit, es vergrößert auch die Chance zukünftig unter finanziell schwierigen Rahmenbedingungen eine schlagkräftige Regionalligatruppe aus den eigenen Reihen formen zu können. Und dass mit Spielern, die sich mit diesem Verein auch identifizieren: Dawid, Gröte, Nacho und Schwechel lassen grüßen. Moritz Flotho und Leo Zornio stehen schon in den Startlöchern. Wieder und wieder zeigt sich, dass sich der Weg der regionalen Talentförderung immer als richtiger und vernünftiger erweist. Manchmal zeigt sich dieser Erfolg auch kurzfristig, wenn wie am vergangenen Wochenende eine vermeintliche Resterampe den Drittligaabsteiger aus Großaspach auf dem heimischen Ponyhof mal eben gepflegt rasiert hat. Durna, Kahraman & Co. haben in diesem Spiel angedeutet, dass da etwas nachkommen könnte im Verein und gleichzeitig die etablierten Kräfte damit kräftig unter Druck gesetzt.

Die Versetzung des bisherigen U19-Trainers und A-Lizenzinhaber Christian Andrecht in die U23, begleitet durch eine angestrebte entsprechende Verjüngung des Kaders, ist dafür ein weiterer wichtiger Baustein. Der Verein sollte diesen Weg konsequent weitergehen, was nicht automatisch heißen muss, dass man sich von wertvollen Spielern wie Mahir, Basti oder Urban trennen sollte. Aber in schwierigen Zeiten können wohl nicht alle Spieler zu jedem Preis gehalten werden. Swen Meyer fühlt sich den Mitgliedern und Fans verpflichtet, das ist absolut zu unterstützen, denn das Letzte was wir brauchen, ist eine vierte Insolvenz.

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