Die Mitgliederversammlung steht an – kommt die Satzungsänderung?

„Die Mitgliederversammlung ist das oberste Beschlussorgan des Vereins.“ – so steht es unter §11 in der Vereinssatzung des KSV Hessen Kassel. Am kommenden Mittwoch ist es wieder so weit: Um 18 Uhr lädt der KSV zur alljährlichen Mitgliederversammlung, die wegen Corona in diesem Jahr online stattfindet und nicht bei Eppo’s. Doch nicht nur dieser Aspekt der Mitgliederversammlung wird spannend – es gibt auch (mindestens) einen Antrag auf Satzungsänderung, der mehr als einen flüchtigen Blick wert ist.

Der Vollständigkeit halber: Insgesamt gibt es drei Anträge auf Satzungsänderung. Wir möchten besonders einem davon unsere Plattform (und mega krasse Reichweite) zur Verfügung stellen. Warum? Weil sich dahinter der aufrichtige Wunsch vieler Mitglieder steht, dass der KSV ihr Verein bleibt und keine windigen Investoren das Ruder übernehmen. Weil sich die Initiatoren des Antrags weitaus tief gehender mit der Thematik befasst haben, verlieren wir an dieser Stelle keine weiteren Worte. Blog36 dokumentiert den Änderungsantrag samt Begründung, wie er auch auf der Vereins-Homepage veröffentlicht wurde. Dort sind auch die weiteren Anträge nachzulesen.

Antrag aus der Mitgliedschaft:

Satzung aktuell:

§ 3 Gemeinnützigkeit

1. Der Verein ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.
2. Mittel des Vereines dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Mitglieder dürfen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins erhalten (§ 55 Abs. 1 Ziff. 1. AO)
3. Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck des Vereins fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden.
4. Bei Auflösung des Vereins oder Wegfall der steuerbegünstigten Zwecke fällt das Vermögen des Vereins an die Stadt Kassel, die es ausschließlich und unmittelbar für gemeinnützige Zwecke zu verwenden hat.
5. Der Verein ist berechtigt, durch Gründung einer Kapitalgesellschaft den Lizenzspielerbetrieb unter Beachtung der Richtlinien, Ordnungen und Satzungen des Deutschen Fußball-Bundes e.V. (DFB) und des Ligaverbandes auszugliedern, mit der gleichzeitigen Verpflichtung, mindestens 51% der Gesellschaftsanteile in seinem Besitz zu halten.

Vorschlag zur Satzungsänderung:
§ 3 wird in Ziffer 5 um einen Satz 2 ergänzt

§ 3 Gemeinnützigkeit

1. Der Verein ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.
2. Mittel des Vereines dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet wer-den. Mitglieder dürfen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins erhalten (§ 55 Abs. 1 Ziff. 1. AO)
3. Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck des Vereins fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden.
4. Bei Auflösung des Vereins oder Wegfall der steuerbegünstigten Zwecke fällt das Vermögen des Vereins an die Stadt Kassel, die es ausschließlich und unmittelbar für gemeinnützige Zwecke zu verwenden hat.
5. Der Verein ist berechtigt, durch Gründung einer Kapitalgesellschaft den Lizenz-spielerbetrieb unter Beachtung der Richtlinien, Ordnungen und Satzungen des Deutschen Fußball-Bundes e.V. (DFB) und des Ligaverbandes auszugliedern, mit der gleichzeitigen Verpflichtung, mindestens 51% der Gesellschaftsanteile in seinem Besitz zu halten. In jedem Fall bedarf der Ausgliederungsbeschluss der Mehrheit von drei Vierteln der Mitgliederversammlung.

Begründung der Antragsteller:

Bereits vor mehreren Jahren wurde die Entscheidung getroffen, eine Ausgliederung beim KSV Hessen Kassel e. V. zu ermöglichen (§ 3 Gemeinnützigkeit Absatz 5). In diesem Sommer wurde in der Lokalpresse (Extra Tip) über Ausgliederungspläne spekuliert. Heute ist es an der Zeit, die Satzung zu ergänzen und zu konkretisieren. Grundgedanke der Änderung ist: In der Vereinssatzung soll deutlich werden, dass eine denkbare Ausgliederung nur durch die Einbeziehung der Mitgliedschaft und durch eine Dreiviertelmehrheit der Mitgliederversammlung vollzogen werden darf.

Bereits nach der derzeitigen Gesetzeslage bedarf es für eine Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung in eine Kapitalgesellschaft im Grundsatz einer Dreiviertelmehrheit in der Mitgliederversammlung (§ 125 UmwG in Verbindung mit § 65 UmwG bei einer Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz und §§ 33, 41 BGB bei einer Einzelrechtsübertragung). Da der KSV Hessen Kassel e.V. durch seine Mitglieder und Fans lebt und überlebt, ist es wichtig, dass dies auch in der Vereinssatzung zur Geltung kommt. Die vorgeschriebene Dreiviertelmehrheit sollte voraussetzen, dass das Diskutieren um Ausgliederungswege und das Abwägen alternativer Konzepte vom ersten Tag an unter Einbeziehung der Mitgliedschaft geschieht.

Seit geraumer Zeit lagern Fußballvereine ihre ersten Mannschaften in separate Kapitalgesellschaften aus. Kaum ein Thema stellt Vereine vor eine vergleichbare Zerreißprobe. Mit einer Ausgliederung ist die Hoffnung verbunden, dass Investoren Vereinsanteile erwerben und so die Kapitalkraft des Vereins stärken. Ausgliederungen gehen mit dem verheißungsvollen Versprechen eines Geldsegens einher, der sportlichen Erfolg bringen soll. Befürworter beziehen sich gerne auf europäische Top-Clubs, die ausnahmslos kapitalstarke Partner an ihrer Seite wissen. Gegner verweisen wiederum auf die lange Liste von Vereinen, bei denen die Ausgliederung existenzielle Krisen nach sich zog. Die Erfahrung zeigt hier: Werden Ausgliederungen von oben durch Vorstände und Aufsichtsräte einer Mitgliedschaft als scheinbar alternativlos vorgelegt, wird aus einem hoffnungsvollen Unterfangen schnell ein Albtraum, aus dem etwa die Fans des TSV 1860 München seit nunmehr 9 Jahren nicht mehr aufwachen (Anmerkung von Blog36: Türkgücü München ist ein aktuelles wie trauriges Beispiel). Vielerorts lähmte und vergiftete bereits der Streit um die Ausgliederung das Vereinsleben nachhaltig. Anderenorts blieb die Investorensuche erfolglos, oder aber selbstverliebte Geldgeber stürzen den Verein derart ins Chaos, dass dort heute nicht nur die Vereinsidentität auf dem Spiel steht, sondern auch der sportliche Erfolg ausbleibt.

Dem gegenüber stehen Vereine aus Darmstadt oder Kiel; auch der SC Freiburg, Erzgebirge Aue, Dynamo Dresden oder Union Berlin sind Beispiele dafür, dass auch in der Rechtsform des eingetragenen Vereins erfolgreicher Profifußball gespielt werden kann. Erfolgsgaranten sind hier: professionelle, beständige Arbeit unter Wahrung der Identität der Vereine. Welchen Weg der KSV Hessen auch in Zukunft geht, dieser kann nur unter Einbeziehung und mit der Kraft seiner Mitglieder beschritten werden. Dies sollte unmissverständlich in der Vereinssatzung deutlich werden. Aus diesem Grund wollen wir die Ergänzung des § 3 bei der Mitgliederversammlung am 30.12.2020 zur Diskussion und Abstimmung stellen.

Vor diesem Hintergrund erscheint auch ein weiterer Antrag, der vom Vorstand eingereicht wurde, unterstützenswert. Dieser besagt, dass Mitglieder erst nach zwölfmonatiger Mitgliedschaft ihr Stimmrecht nutzen können. Selbiges soll für Wählbarkeit eines Mitglieds gelten. Warum das sinnvoll ist, lässt sich anhand dieses Beispiels nachvollziehen (Danke an Chris für den Link).

Die Begründung des Vorstandes:

Um ein Risiko für den Verein von möglichen kurzfristig auftretenden äußeren Einflüssen und mögliche Übernahmen von kurzfristig in den Verein eintretenden Interessensgruppen zu reduzieren, erscheint die Einführung einer Mindestmitgliedsdauer in die Vereinssatzung geboten. Damit soll erreicht werden, dass langfristig am Vereinswohl interessierte Mitglieder ihr Stimmrecht ausüben. Um den Fortbestand des Vereins langfristig zu sichern und um die Bedeutung langjähriger Vereinsmitgliedschaften hervorzuheben und aufzuwerten, stellt der Vorstand den Antrag, dass zur Ausübung des Stimmrechts von Vereinsmitgliedern bei Mitgliederversammlungen des Vereins die Mitgliedschaft mindestens bereits 12 Monate bestehen muss und kein Beitragsrückstand vorliegt.

Alle Details zu den eingereichten Anträgen auf Satzungsänderungen findet ihr hier.

Titelfoto: Christian Hedler/Fullewasser

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