Es ist genau zwei Monate her, dass unsere Löwen zum letzten Mal losgelassen wurden. Im heimischen Estadio del Aue kanzelte der KSV Hessen Kassel die Truppe aus Dreieich 4:0 ab und machte nach dem fulminanten Kantersieg in Hadamar einmal mehr klar, welche Ambitionen die Nordhessen hegen. Seitdem herrscht Tristesse. Mittlerweile ist klar: Ein spannendes Saisonfinale mit einer rauschenden Aufstiegsfeier samt Rathaussturm wird es nicht geben. Nicht in Kassel oder sonst wo. Wie geht es jetzt weiter?
Mittlerweile kristallisiert sich in Hessen die wahrscheinlichste Lösung des Dilemmas heraus: Der Saisonabbruch mit anschließender (Teil-)Wertung der Tabelle mit Stand Anfang März nach dem 23. Spieltag. Für dieses Modell haben sich nicht nur verschiedene hessische Kreisverbände sondern auch andere Landesverbände ausgesprochen – überall fehlt aber noch die Zustimmung durch die jeweiligen Verbandstage. Das Präsidium des Hessischen Fußballverbandes (HFV) will am 16. Mai eine Beschlussvorlage erarbeiten, der notwendige Verbandstag soll Anfang Juni steigen. Noch nicht ganz klar scheint zu sein, wie genau diese Wertung vollzogen werden soll.
Die Szenarien Annullierung der Saison und Aussetzen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag spielen wohl kaum noch eine Rolle im Gebiet des HFV. Der Bayrische Fußballverband hat sich zwar für letzteres Modell ausgesprochen, jedoch birgt dieses einige Schwierigkeiten: Wer weiß schon, ob es im September wirklich weitergehen kann? Was wird mit der Folgesaison? Wie soll mit in diesem Sommer auslaufenden Verträgen und deren möglichen Verlängerungen umgegangen werden? Und wie soll das eigentlich alles zusammenpassen? Aufgrund dieser Unwägbarkeiten erscheint das Aussetzen der Saison als sehr risikoreich. Ein Abbruch mit Wertung ist im Vergleich dazu wohl das kleinere Übel, getreu dem Motto: Lieber eine Worscht mit Ende als gar keine Worscht.

Also abbrechen und dann mal schauen, wann wieder gekickt werden kann. Damit die Saison 2019/20 nicht völlig in der Bedeutungslosigkeit versinkt, braucht es eine Abschlusstabelle. Absteiger soll es keine geben, Meister und Aufsteiger aber schon – die Pandemie soll schließlich nicht zu noch mehr Benachteiligung führen. Abstiegsbedrohte Klubs also nicht in den Abgrund gestoßen werden und den Klubs auf den Aufstiegsplätzen dieses Recht nicht verwehrt werden. Wie aber soll eine Abschlusstabelle gewertet werden, wenn manche Teams nur 21 Spiele, andere aber schon 23 Spiele auf den Platz gebracht haben? Das Zauberwort ist: Quotientenregel.
Die Formel zum Glück: Erzielte Punkte dividiert durch gespielte Spiele multipliziert mit 100. Der Vorteil dabei: Die ungleiche Anzahl gespielter Spiele wird ausgehebelt, die bisher erzielten Ergebnisse fließen aber voll in die Wertung mit ein. Nach Anwendung dieser Formel würde sich in der Hessenliga folgendes Tabellenbild ergeben:
Platz | Verein | Spiele | Punkte | Quotient |
1. | Stadtallendorf | 22 | 48 | 218,18 |
2. | KSV Hessen Kassel | 22 | 47 | 213,64 |
3. | FC Eddersheim | 21 | 43 | 204,76 |
In der Hessenliga würde sich durch die Quotientenregel also auf den Plätzen 1 bis 3 also nichts ändern – den Rest vernachlässigen wir an dieser Stelle einfach mal. Es bleibt festzuhalten: Stadtallendorf belegt weiter den ersten Platz, der KSV Hessen ist Zweiter. Zur Erinnerung: In einer normalen Saison steigt der Erste direkt in die Regionalliga Südwest auf, der Zweite muss in die Aufstiegsrunde mit den Vertretern aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz/Saar. In der Spielordnung der Regionalliga Südwest heißt es zu den Aufstiegsregelungen:
§ 48 Aufstieg in die Regionalliga Südwest
1. Aus dem Bereich der baden‐württembergischen Fußballverbände, des Hessischen Fußballverbandes und dem Bereich des Fußball‐Regional‐Verbandes Südwest steigt jeweils der Meister in die Regionalliga auf.
So weit, so gut. Drei Oberligen, drei Meister, drei Aufsteiger. Aktuell wären das der TSV Eintracht Stadlallendorf, der VfB Stuttgart II und der TSV Schott Mainz. Juhu – das war’s aber noch nicht. Weiter heißt es in der Spielordnung:
§ 48 Aufstieg in die Regionalliga Südwest
4. Ab dem Spieljahr, in dem erstmals die Staffelstärke von 18 Mannschaften in der Regionalliga Südwest erreicht wird (Anm.: Das ist seit 2018 der Fall), können sich bis zu vier Vereine der der Regionalliga Südwest nachgeordneten Spielklassen der Landes‐ bzw. Regionalverbände sportlich qualifizieren und in die Regionalliga Südwest aufsteigen.
Neben den o.g. Meister wird ein weiterer Aufsteiger zwischen den Tabellenzweiten der vorgenannten Staffeln ermittelt. Die Aufstiegsspiele der Tabellenzweiten liegen in der Zuständigkeit der Regionalliga Südwest GbR. § 46 dieser Spielordnung gilt entsprechend (Anm.: Hier geht es um Details der Spielwertung).
Die Landes‐ bzw. Regionalverbände ermitteln die direkten Aufsteiger in eigener Verantwortung.
Kurzum: Die Meister der Oberligen steigen auf, die jeweils Zweitplatzierten spielen eine von der Regionalliga Südwest ausgerichteten Aufstiegsrunde um den vierten Aufstiegsplatz aus. Die drei Zweitplatzierten sind aktuell, nach Quotientenregel-Pipapo: Der glorreiche KSV Hessen Kassel, der 1. Göppinger SV und der 1. FC Kaiserslautern II (punktgleich mit Elversberg II, aber mit gewonnenem direkten Vergleich und besserer Tordifferenz). Die beiden Reserveteams aus Lautern und Jenny Elversberg dürfen aber nicht hoch, weil ihre Profis nur in der 3. Liga beziehungsweise Regionalliga spielen (§ 48 Nr. 5a). Also wäre die viertplatzierte TuS Koblenz an der Reihe, die sich auch schon Gedanken macht. Auch die Göppinger haben die Unterlagen für die Regionalliga bereits eingereicht.
Diese Aufstiegsrunde wird aber aufgrund des Infektionsschutzes nicht stattfinden können. Was also tun? Den Quotienten bilden, ist doch klar! Der KSV Hessen kommt auf einen Quotienten von 213,64 (22 Spiele, 47 Punkte), der Göppinger SV auf 180,95 (21 Spiele, 38 Punkte) und die Koblenzer auf 185,71 (21 Spiele, 39 Punkte). Noch Fragen? Wenn die Regionalliga Südwest ihre eigene Spielordnung trotz der derzeitigen Umstände noch ernst nehmen will und alle Beteiligten an einer möglichst fairen sowie sportlich begründeten Lösung interessiert sind, kann der vierte Aufsteiger in diesem Sommer nur der KSV Hessen Kassel sein. Von der Attraktivität eines Regionalligisten aus Kassel und der vorhandenen Infrastruktur mal ganz zu Schweigen. Alternativen, um einen glücklichen Vierten zu finden: ein Losentscheid oder ein bloßes Elfmeterschießen um den Aufstieg. Dabei würden sich wenigstens die Abstandsregeln einhalten. Aber ob das jemand ernst nehmen könnte? Wir glauben nicht. Immerhin gibt es bereits erste Signale, dass der HFV und auch die Regionalliga Südwest vier Aufsteiger nicht ausschließen. Die Entscheidung über einen vierten Aufsteiger liegt allerdings in der Verantwortung der Regionalliga Südwest, die im Normalfall die Aufstiegsrunde der Zweitplatzierten ausrichten würde.

Vier Aufsteiger in die Regionalliga Südwest also – das würde zu einer Staffelgröße von bis zu 22 Mannschaften führen. Ungewöhnlich, aber machbar. Die Regionalliga-Spielordnung sieht sogar schon eine Staffel von bis zu 21 Mannschaften vor (§ 47 Nr. 2). Zumal sich die berechtigte Frage stellt: Bleiben alle Regionalligisten dort, wo sie jetzt sind? RW Koblenz und Balingen stehen abgeschlagen am Tabellenende, Gießen kämpft laut Medienberichten mit finanziellen Problemen. Freiwillige Rückzüge sind also nicht ausgeschlossen. Und Saarbrücken will hoch. Die Frist zum Einreichen der Zulassungsunterlagen endet übrigens auch am 16. Mai. Eine aufgeblähte Regionalliga würde unweigerlich eine deutlich höhere Zahl von Absteigern in der Folgesaison nötig machen – das graue Tabellenmittelfeld würde belebt. Die verworrene Situation bietet also auch Chancen für neue Impulse – so argumentiert auch der KSV Hessen in einer Stellungnahme.
Für den KSV Hessen Kassel würde dies den Aufstieg am Grünen Tisch bedeuten. Sicher kein Wunschszenario, denn in der Isolation zu feiern kommt nie im Leben einer rot-weißen Aufstiegsfeier nahe. Aber die Jungs haben gezeigt, dass sie es verdient haben – der Punkteschnitt ist herausragend. Die Statuten sehen vier Aufsteiger vor. Vielen Hessenligisten bliebe durch den Löwen-Aufstieg ein Ausnahmespieltag erspart ohne trinkfeste und hungernde Vandalen aus Kassel. Bitte, Danke!

Blog 36, ich hoffe, daß ihr recht behaltet.
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Alles richtig – bis auf den Hinweis auf den FC Gießen. Der profitiert nämlich gerade vom Saisonabbruch durch das Virus, da er Geld spart und trotzdem drinbleibt.
Na warte, du Retortenclub! Sollte jemals wieder Fussball gespielt werden, zieht dir der KSV
beim nächsten Aufeinandertreffen erst die Hosen aus und dann die Hammelbeine lang…!
Siegtor Nennhuber.
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