Auf einen Kaffee mit den Wochenendrebellen

Kürzlich hatten wir die Chance uns mit den Wochenendrebellen Jason und Mirco zu treffen. Die beiden haben mit ihrem Blog, Podcast und Buch große Aufmerksamkeit in der bundesweiten Fußball- und Medienwelt erhalten, kommen aber aus dem Kassler Umland: Auf einen Kaffee im Café Nenninger.

Vor ca. einem Jahr hat blog36 in der Winterpause eine Lesung mit Sergej Evljuskin veranstaltet. Auch dieses Jahr erscheint die Winterpause lang und trostlos. Da kam die Ankündigung der Wochenendrebellen gerade recht, am 28.01. eine Lesung ihres Buchs in Kassel zu veranstalten. Diese wollen wir euch wärmstens ans Herz legen – Fußballkultur par excellence!

Es wurde ein netter Plausch unter Bloggern über die ca. 70 Trips in verschiedenste Stadien in und um Deutschland, Quantenphysik, Familienleben und den KSV.

Unsere stille Hoffnung, dass sich Jason (wie wir alle) am Ende doch für die große Liebe der Region entscheidet, wurde schnell zerstört – aber dazu später mehr.

Das Projekt „Wochenendrebellen“

Jason ist zwölf Jahre alt und Asperger Autist. Er entwickelt seit seiner frühen Kindheit ausgeprägte Interessen für ausgewählte Themengebiete. Hat er sich einem Thema verschrieben, dann jedoch komplett! Besonders angetan hat es ihm die Physik, speziell Astrophysik. Aber eben auch der Fußball.

Exkurs „Asperger Autismus“

Das Asperger Syndrom ist eine Form des Autismus, einer neurologischen Besonderheit. Asperger Autisten haben häufig Schwierigkeiten mit sozialer Kommunikation, sozialer Interaktion und sozialem Verständnis. Außerdem haben sie oft eine abweichende Wahrnehmungsverarbeitung, Spezialinteressen und ein hohes Bedürfnis nach Beständigkeit/Regeln/Ritualen.
Asperger Autisten haben zumeist weniger Sprachstörungen als andere Autisten. Ihre Intelligenz wird in der Literatur als durchschnittlich oder überdurchschnittlich angegeben.
Es gibt nicht DEN Asperger Autisten, jeder hat eine ganz eigene Ausprägung der Besonderheiten.

Medizinisch betrachtet spricht man von einer Autismus-Spektrums-Störung, da jeder Autist unterschiedliche Herausforderungen in Bezug auf soziale Interaktionen, Wahrnehmungsverarbeitung und Alltagsfähigkeiten hat, und die Übergänge häufig fließend sind.

Autismus ist eine angeborene Neurodiversität: Eine genetisch bedingte tiefgreifende Entwicklungsstörung nach ICD-10. Autismus ist nicht heilbar.

In ihrem mit dem Grimme Online Award ausgezeichnetem Podcast „Radiorebell“ spricht Jason über seine Behinderung :

Quellen: autismus-kultur.de & Mirco von wochenendrebell.de

Jason in Baunatal beim Spiel gegen den KSV
Jason in Baunatal beim Spiel gegen den KSV. Foto: Wochenendrebellen

Nach einem gemeinsamen Stadionbesuch mit seinem Vater und Opa ergab sich die Frage, wie man einen „Lieblingsverein“ findet. Jason konnte nicht verstehen, wie man sich für einen Verein begeistern kann, ohne zuvor alle Alternativen gesehen zu haben. In einem nicht ganz ernst gemeinten Gespräch mit dem vermeintlich schon fast-schlafendem Jason willigt Papa Mirco letztlich ein, einen Lieblingsverein für Jason zu finden. Und damit nicht eher aufzuhören, bis Jason einen Verein gefunden hat. Dies war ein folgenschweres Versprechen.

Für Jason sind Regeln heilig, genauso wie Versprechen. Das Brechen von Regeln oder Versprechen ist nicht logisch; darf also unter keinen Umständen erfolgen. Und somit sind die beiden seitdem viele Wochenenden im Jahr unterwegs auf der Suche nach DEM Lieblingsverein für den Sohnemann. Eine ganz besondere Vater-Sohn-Geschichte mit vielen Eigenarten und Besonderheiten, die Jason eben so mit sich bringt. Seit dem Beginn des Projekts werden die Trips im Wochenendrebell-Blog festgehalten. Aufgrund der Einzigartigkeit sind ausgewählte Geschichten jetzt als Buch erschienen, woraus die beiden am kommenden Sonntag in Kirchditmold vorlesen werden.

Der Bezug zum KSV

Jason in der KSV Kurve
Jason in der KSV Kurve. Foto: Wochenendrebellen

Natürlich durfte auch der KSV als regional höchstklassigster Verein bei dieser Suche nicht fehlen. Die Relegationsspiele zur 3. Liga gegen Kiel boten da untern anderem eine erstklassige Gelegenheit sich Hessen Kassel zu nähern. Da Jason besonders gerne lange Auswärtsfahrten (immer mit dem Zug, Jason ist Nachhaltigkeit und Umweltschutz sehr wichtig) plant, war der Trip nach Kiel zum Relegationshinspiel prädestiniert. Im Buch wird dieser Fahrt gleich das 1. Kapitel (nach der von Jason geschriebenen Einleitung – dem selbsternannten Highlight des gesamten Buchs) zuteil, so wird der gemeine KSV-Fan gleich auf den ersten Seiten abgeholt. Insgesamt besuchten sie bisher noch vier weitere Spiele mit KSV-Beteiligung (Relegations-Rückspiel, Liga-Heimspiel gegen Hoffenheim II, DFB-Pokal gegen Hannover, Liga-Derby im Baunataler Parkstadion). Damit dürfte der KSV zu den Teams gehören, die Jason am häufigsten gesehen hat – überzeugen konnte ihn unsere Equipe bisher dennoch nicht.

Im Gespräch wird klar, dass die Chancen darauf in Jason einen weiteren Fan auf Lebenszeit zu gewinnen nicht sonderlich gut stehen. Emotionen spielen bei seiner Entscheidungsfindung (Asperger-typisch) keine Rolle, sein Herzensverein muss diese drei Regeln erfüllen:

  • KEINE Kreisbildung vor Anpfiff („Its the circle of love“, wir sind raus), Jason ist kein großer Freund von unnötigem Körperkontakt
  • KEIN Maskottchen (Die Geburtsstunde Tottis hat uns also schlechte Karten verpasst). Warum? In Berlin wollte ihn ein Maskottchen mal umarmen – seitdem stehen Herthinho und alle seine Kollegen auf dem Index
  • Jasons Verein muss energetisch nachhaltig agieren (Der KSV wäre froh in Zukunft die Stromkosten zahlen zu können…)

Aber darüber hinaus legt Jason viel Wert auf ein besonderes Stadion. So zählt der mittlerweile abgerissene Ludwigspark in Saarbrücken zu seinen Favoriten oder zum Beispiel Stadien mit hölzernen Anzeigetafeln. Sein nächster Wunschtrip soll übrigens in die Slowakei zum TJ Tatran gehen, hier fährt eine reguläre Zuglinie durch das Stadion – direkt zwischen Tribüne und Fußballfeld.

Man merkt schnell: Der KSV kann ihm nicht mal ansatzweise alle Wünsche erfüllen. Die gebotene Enttäuschung unsererseits konnten wir geschickt überspielen, mit Niederlagen können wir ja umgehen.

Jason im KSV Schal
Jason im KSV-Schal. Foto: Wochenendrebellen

Es sollte noch dicker kommen: Regionalität ist Jason egal. Hätte er am Ende der Suche die Wahl zwischen einem runderneuerten KSV (Keine Kreisbildung, kein Maskottchen, ein Stadion aus reinem Holz, Umwelt-aktives Konzept) und einem exakt gleichen Pendant in Kuala Lumpur – „Dann fliegen Papsi und ich nach Malaysia“.

Aber: Mirco und Jason ziehen die unteren Ligen, abseits der vollen Stadien mit Eventisierung und Halbzeitshow, den Eliteligen vor. Einerseits weil sie in 1. und 2. Liga nahezu alle Vereine gesehen haben, andererseits weil sie den Platz in der Kurve einer dichtgedrängten Tribüne bevorzugen. Genauso wie die fehlenden Schlangen beim Catering. Vielleicht ist da also noch ein Fünkchen Hoffnung für den KSV…

Am 28.01. wird gelesen – was uns dort erwartet

Wir Wochendrebellen
Buchcover, Foto: Sabrina Nagel/nh

Die Konzept der Lesungen erklärt Mirco ausschweifend, es liegt beiden offensichtlich am Herzen: Jason will die Welt ein Stückchen besser machen, mit diesem Wunsch rennt er bei seinem Papsi offene Türen ein! Hierzu haben sie sich die Neven Subotic Stiftung (nevensuboticstiftung.de) ausgesucht, die saubere Brunnen in der sogenannten dritten Welt finanziert. Aus den Verkäufen des Buchs hat sich bisher wenig Erlös für die Stiftung mobilisieren lassen, daher soll über die Lesereise, bei der sie auf Gagen oder Hotels komplett verzichten, das Ziel „1 Brunnen selbstständig zu finanzieren“ erreicht werden. Da die Lesungen aber für die Besucher kostenlos sind, wird am Ende um Spenden gebeten.

Bei den Lesungen liest Jason das beste Kapitel des Buchs: Die von ihm verfasste Einleitung. Mirco gibt ausgewählte Kapitel zu witzigen/skurrilen Erlebnissen auf ihren Reisen preis. Jeden Abend gibt es eine andere Setlist, ob es am Sonntag eine Story mit KSV-Beteiligung zu hören gibt, wollten sie uns nicht verraten – aber die Hoffnung scheint nicht unbegründet.

Bislang waren die Lesungen z.B. in Hamburg oder Berlin sehr gut besucht und sehr kurzweilig. Vor allem die Möglichkeit im Anschluss mit den beiden Rebellen ins Gespräch zu kommen sollte motivieren, das Heimspiel der besonderen Art zu besuchen!

Infos zur Lesung: Rebellenlesung Kassel
Bücherei Kirchditmold e.V, Baumgartenstraße 2, 34130
28.01.2018 – 17:00 Uhr
Eintritt frei
Facebook-Veranstaltung: Link

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