Eine verbreitete Lebensweisheit für Charakterstudien lautet: „Zeig mir deine Freunde und ich sag‘ dir wer du bist.“ Will man dem Charakter der Löwen-Elf in der neuen Spielzeit nachspüren, wäre es wohl passender zu sagen: „Zeig mir deine Gegner und ich sag‘ dir wer du bist.“ Denn die Ligakonkurrenz zollt dem KSV zuletzt entweder allerhand Respekt, oder aber sie übt sich in beleidigter Verzweiflung. Beides sind eindeutige Indizien dafür, dass die Löwen unter denkbar schweren Bedingungen auf beeindruckende Art und Weise Charakter zeigen.


Mathias Mink gehörte zuletzt zu denen, die eher Anerkennung zeigten. Auf der Pressekonferenz nach dem Säbelkreuzen zwischen dem KSV und dem TSV Steinbach gestand er ein, dass er einen KSV erwartet habe der mit „Robustheit“, „Zweikampfhärte“ und entschlossenem „Spiel auf die zweiten Bälle“ auftreten würde. Gegen „Mittel“ wie diese reiche es nun mal nicht aus „gut Fußball zu spielen“. Mink steht mit dieser Meinung nicht alleine da. Abgesehen von der Niederlage gegen Saarbrücken, honorierten bislang alle Trainer in der anschließenden Pressekonferenz das couragierte Auftreten der Löwen. Das gilt vor allem für die Heimspiele.
Des einen Freud …
Insbesondere gegen Steinbach wurde deutlich welche Kräfte Spieler und Fans gemeinsam freisetzen können. Gab es früher Spielphasen in denen die Kurve für sich gesungen und die Haupttribüne am Spiel vorbei gemeckert hat, gelang gegen Steinbach das, was weithin unter dem hohen Gut eines „spielbezogenen Support“ verstanden wird: Guter Einsatz der KSV Akteuere wurde honoriert, Fehlentscheidungen des Schiedsrichters moniert und der Minksche-Verwaltungsfußball mit Häme quittiert. Bei einem Spiel, was auf den meisten Plätzen der Regionalliga wohl auf ein 0:0 hinausgelaufen wäre, wiegelten sich Spieler und Zuschauer mit einer beeindruckenden Galligkeit zu Hochleistungen auf und fuhren gemeinsam die 3 Punkte ein. Am Ende standen die Kurve, die Nordtribüne und die Haupttribüne in ungewohnter Eintracht auf – in der Mitte des Feldes freuten sich die Löwen lautstark. Auch Frederic Brill resümierte nach der Partie: „Wenn wir die erste Halbzeit zu null spielen, dann wissen wir, was passiert wenn wir danach auf unsere Fans, auf unsere Kurve spielen.“
… des anderen Leid
Kamen zuletzt in der Nachlese der auswärtigen Presse gegnerische Spieler zu Wort, sprachen sie von „unangenehm“ und „giftig“ aufspielenden Löwen und machten schwer den Eindruck, als hätten sie für 90 Minuten den Spaß an Fußball verloren. Wie ätzend es zuletzt insbesondere war, als Anhänger der gegnerischen Mannschaft im Auestadion zu sitzen, demonstrierten in Reinkultur die Moderatoren des Fanradios des TSV Steinbach. Insbesondere die letzte halbe Stunde der Übertragung glich einer einzigen Leidensbekundung. Sie nahm mal die Gestalt cholerischer Wutausbrüche an, oder trat in Form einer wehleidigen Trauersalve auf – hin und wieder unterbrochen von weinerlichen „haaaachs“ und gequältem Gestöhne. Diese Reaktionen auszulösen, ist das erklärte Ziel der Löwen, so Frederic Brill: „Wir haben den Anspruch, dass die gegnerischen Mannschaften wegfahren und sagen: ‚Hier haben wir keine Lust mehr hinzufahren’“. Das gelang gegen Mannheim, Mainz und Steinbach. Dem kleinen VFB wurde immerhin ein „blaues Auge“ verpasst, wie Gäste Trainer Andreas Hinkel nach dem Spiel einräumte.
Auswärtsbilanz ist trügerisch
Zwar sieht auf dem gegnerischem Platz die Bilanz auf dem Papier weitaus schlechter aus. Die Niederlagen gegen Saarbrücken und Offenbach wurden allerdings gegen die beiden „Teams der Stunde“ eingefahren. Gegen Saarbrücken bäumten sich die Löwen immerhin nochmal auf, als die Niederlage nach einer ersten halben Stunde zum Vergessen im Prinzip schon feststand. Gegen Offenbach drückte der KSV auf den Ausgleich, der ihm nur durch das Aluminium verwehrt wurde. Gegen Hoffenheim drehte die Cramer-Elf einen Rückstand und erarbeitete sich dann willensstark auch das notwendige Quäntchen Glück, das in dem Spiel nötig war, um den Dreier einzufahren. Nicht ohne Grund wirft der Löwencharakter auch auf gegnerischen Platz seine Schatten voraus. Tobias Flitsch, Trainer des SSV Ulm, kündigt für Samstag einen KSV an, der „grundsätzlich sehr aggressiv, mannorientiert mit gutem Umschaltspiel“ auftritt. Der Mann hat seine Hausaufgaben gemacht.
Ehrlicher Fußball 2.0

Der ein oder andere KSV Anhänger reibt sich nach dem Saisonauftakt sicher die Augen. Gerade mal ein Fünftel der Saison ist gespielt und schon ist nicht nur die schwere Hypothek von minus neun Punkten bereits aufgebraucht, mit nunmehr vier Zählern auf der Habenseite lassen die Löwen sogar erste Konkurrenten im Abstiegskampf hinter sich. Damit war nicht unbedingt zu rechnen. Insbesondere bei dem Auftaktprogramm mit Aufstiegsfavoriten und Zweitvertretungen, gegen die sich der KSV traditionell schwer tut. Die Schwarzmaler unter uns hatten noch vor zwei Monaten einen Fehlstart befürchtet, der gemeinsam mit dem laufenden Insolvenzverfahren einen Teufelskreis des sportlichen und finanziellen Niedergangs auslösen würde. Es kam zumindest sportlich bis jetzt ganz anders. Die Cramer-Elf hat die im letzten Jahr aus der Not heraus geborene Spielphilosophie auf ein neues Niveau gehoben. Bleibt zu hoffen, dass das auch die regionale Wirtschaft honoriert.
Fans und Spieler stehen immer wieder vor Charaktertest
Bei aller Freude über die Bestandsaufnahme lügt aber auch die Tabelle nicht. Der KSV muss weiterhin die Tabelle von „hinten rocken“, wie es Cramer vor der Saison prophezeite. Die Spieler haben sich deshalb in jedem Spiel aufs neue einem Charaktertest zu unterziehen und müssen das 1×1 des ehrlichen und bodenständigen Fußballs immer wieder abrufen: unbedingter Siegeswille, Leidenschaft, die Bereitschaft über Schmerzgrenzen hinaus zu gehen, diszipliniertes und konzentriertes Abwehrverhalten, schnelles Umschaltspiel und Effektivität vor dem Tor. Letzte Saison gelang das nicht durchgehend. Der Spannungsabfall zum Ende der Spielzeit hin war nicht zu übersehen. Damit das diesmal nicht passiert, bedarf es auch charakterstarker Zuschauer. Der „ehrliche und bodenständigen Fußball 2.0“ lebt derzeit mehr noch als letztes Jahr von der guten Stimmung auf den Rängen – das hat das Steinbachspiel deutlich gemacht. Auch der Charaktertest der Fans stellt sich somit immer wieder von Spiel zu Spiel. Auch für uns heißt es: Weiter rocken! Charakter zeigen! Gemeinsam Spiele gewinnen!
Um ein bekanntes Zitat von Seppl Herberger zu bemühen. „Das nächste Spiel ist immer das schwerste.“ Ich persönlich erwarte eine kampfkräftige Ulmer-Mannschaft die unserem KSV alles abverlangen wird. Somit ein Spiel auf Augenhöhe ! Wenn unser Team wieder all Ihre Tugenden abrufen kann, wird es belohnt werden.
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Kann man so stehen lassen.
Nach dem Startblock von vier Partien, findet sich der KSV im goldenen Spätsommerblock der nächsten vier Begegnungen nun im Abschluß dieser Phase in Ulm ein.
Hier sollte der nächste Dreier gesetzt werden, um dann mit hoher Motivationskurve die Unterbrechung des Spielrythmus am spielfreien Spieltag zu überstehen.
Danach im Saarland/BaWü-Block könnte man die folgenden vier Partien mit guter Ausgangsbasis bestreiten, um sich ins Mittelfeld des Tableaus zu schieben.
Kritisch hinterfragen muss man allerdings die Ankündigung des Vereins, im Spiel gegen den SC Freiburg die Osttribüne für Familien freizugeben.
Das konterkariert ausgerechnet gegen die spielstarken Breisgau-Brasilianer genau das derzeitige, sehr erfolgreiche emotionale Stadion-Momentum, das im obigen Text recht treffend beschrieben wurde…
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