Mythos „Goldener Oktober“

stadiontitel„Bunt sind schon die Wälder, gelb die Stoppelfelder und Hessen Kassel verliert“. Eine zeithistorische Betrachtung des Monats Oktober aus Löwensicht.

Es gibt so viele Erzählungen über den KSV. Die Bekannteste ist sicher, dass „de Hessn ja gar nit uffsteijen wolln“. Eine ganz andere ist, dass der Oktober seit Jahren als der Monat verschrien ist, in dem es die Löwen regelmäßig verkacken: „Nix da, Goldener Oktober! Eher eine vorgezogene Winterdepression!“ – so oder so ähnlich winselt die Löwenseele mit jedem neuen Novemberbeginn. Doch stimmt das überhaupt? Und wenn ja, was können wir daraus lernen? Blog36 spekuliert nicht, Blog36 erzählt die Wahrheit. Deswegen haben wir eine knallharte Recherche der vergangenen Regionalliga-Jahre betrieben.

 

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Abhängen im Block 36 lohnt immer – auch im Oktober!

Saison 2006/07
Im Jahr Eins nach dem Aufstieg in die damals drittklassige Regionalliga gab es im Monat Oktober nur drei Spiele. Bei den Unentschieden gegen Saarbrücken und Siegen sowie einer knappen Niederlage beim SSV Reutlingen holte man gerade mal zwei magere Pünktchen – eine goldene Ausbeute ist das sicher nicht.

Bilanz: 3 Spiele – 0S / 2U / 1N

 

Saison 2007/08
In dieser Saison wurde eine Menge verkackt – nicht zuletzt die Qualifikation für die eingleisige Dritte Liga. Und auch der Oktober hat kräftig dazu beigetragen, denn es gelang den Löwen in den drei Oktoberspielen nicht ein einziges Tor. Einem torlosen Unentschieden gegen die Sportfreunde Siegen folgte eine krachende 0-4-Pleite bei Bayern München II, die damals u.a. mit Mats Hummels, Toni Kroos und einem etwas in die Jahre gekommenen Thomas Linke aufliefen. Zum Schluss setzte es dann noch ein 0-1 beim VfB Stuttgart II.

Bilanz: 3 Spiele – 0S / 1U / 2N

 

Saison 2008/09
Wer erinnert sich nicht an diese Spielzeit? 71 Punkte am Ende, eine ganze Saison lang geil abgeliefert – aber dem 1. FC Heidenheim in Sachen Aufstieg brav den Vortritt gelassen. Der Oktober war vergleichsweise passabel. Nur gegen den Karlsruher SC II verlor man zu Hause, Pflichtsiege gab es gegen die Zweitvertretungen von Unterhaching und Wehen-Wiesbaden. Gegen Darmstadt 98 gab es auswärts ein 2-2, durch einen Last-Minute-Ausgleichstreffer von Christoph Keim. Goldener Oktober? Zumindest ein bisschen.

Bilanz: 4 Spiele – 2S / 1U / 1N

 

Saison 2009/10
Auch in der darauffolgenden Saison spielte der KSV oben mit, ging nur fünfmal als Verlierer vom Platz und belegte am Ende Platz 4 in der Abschlusstabelle. Insgesamt 14 Mal teilte man in der Serie die Punkte, zweimal davon auch im Monat Oktober (gegen Reutlingen und Freiburg II). Dazu gabs einen Sieg gegen den FC Bayern Alzenau und eine knappe Heimniederlage gegen den späteren Meister und Aufsteiger VfR Aaaalen (für die jüngeren Leser: Ja, es gab mal eine Zeit in der Regionalliga, da stieg der Meister direkt auf).

Bilanz: 4 Spiele – 1S / 2U / 1N

 

Saison 2010/11
Es war der 2. Oktober 2010, als der KSV vor knapp 10.000 Zuschauern im Kasseler Auestadion Darmstadt 98 mit 1-0 nach Hause schickte. Der Torschütze? Tobi Damm. Das änderte zwar leider nix am erschwindelten Aufstieg der Südhessen, sorgte aber zumindest für einen warmen und goldenen Herbstmoment. Es folgte ein 4-2-Auswärtstriumph bei den Stuttgarter Kickers (erneut steuerte TD22 einen Treffer bei) sowie ein 0-0 gegen Nürnberg II. Zum Abschluss des Monats kamen die Löwen dann beim 0-3 in Hoffenheim II ordentlich unter die Räder. Dennoch der bis dahin goldenste Oktober aller Regionalligazeiten.

Bilanz: 4 Spiele – 2S / 1U / 1N

 

Saison 2011/12
Am 13. Spieltag der Saison endete eines der größten Missverständnisse der jüngeren KSV-Geschichte: nach der 1-4-Schlappe beim 1. FC Nürnberg II trennte sich der KSV von Trainer Christian Hock. Hock? Richtig! Das war der Mann, der behauptete, er hätte vier bessere Stürmer im Kader als Thorstenbauerfußballgott. Und weil er von seiner Entscheidung so überzeugt war, schickte er ihn fortan zum Laufen in die Aue. Warum? Weil er es konnte. Nach der Nürnberg-Pleite war dann aber Schluss mit dem Spuk. Holger Brück übernahm das bemitleidenswerte Löwenrudel und kassierte in seinem ersten Oktoberheimspiel gleich die nächste Niederlage: 1-2 gegen Bayern München II. Zuvor gab es unter Hock schon Pleiten gegen Ingolstadt II und die Stuttgarter Kickers. Ein Oktober zum Vergessen. Wie eine Befreiung wirkte da der 1-0-Auswärtserfolg bei Karlsruhe II – am 1. November!

Bilanz: 4 Spiele – 0S / 0U / 4N

 

Saison 2012/13
Uwe Wolf hatte mittlerweile das Kommando übernommen und führte die Löwen in dieser Saison zur Meisterschaft – und das trotz des Monats Oktober. Blog36 ist sich nicht ganz sicher, glaubt aber, dass das ganze Gerede vom Goldenen Oktober überhaupt erst auf El Lobo’s Mist gewachsen ist. Jawohl, der hat damit angefangen. Der wars! Golden waren hingegen eher andere Monate El Lobo’s Amtszeit. Gegen Trier und Freiburg II setzte es bittere Heimpleiten. Einem spektakulärem 4-4 bei Mainz 05 II (in dem Tobi Damm gegen seinen Ex-Club netzte) folgte zum Abschluss des Monats ein 2-0-Heimsieg gegen den FC Homburg. Dies war der Beginn einer wunderbaren Siegesserie, die in 2012 nicht mehr enden sollte. Und dennoch: die Ausbeute im Oktober blieb bescheiden.

Bilanz: 4 Spiele – 1S / 1U / 2N

 

Saison 2013/14
Seien wir ehrlich: die gesamte Saison als amtierender Meister war eine Seuchen-Saison. Der Oktober 2013 hatte daran einen fetten Anteil. Es ist bestimmt kein Zufall, dass die 0-4-Heimklatsche gegen Hoffenheim II Anfang des Monats eigentlich Ende August hätte stattfinden sollen. Das Spiel war ein Nachholspiel des 6. Spieltages und hatte eigentlich im Oktober nichts verloren. Wer weiß, wie das Spiel im August ausgegangen wäre. Wie auch immer: nach 43 Minuten führte Hoffenheim bereits mit 4-0, in der 82. Minute dann die Szene, die das Spiel legendär machte: „Der KSV entschuldigt sich für den desaströsen Auftritt seiner Mannschaft und erstattet allen Zuschauern das Eintrittsgeld zurück.“ Charly Wimmer hatte auf Anweisung von Dirk Lassen-Beck gesprochen. Hängende Köpfe auf dem Rasen, Schulterzucken und Pfiffe auf den Rängen. Die Aktion brachte den KSV am nächsten Tag zumindest eine Schlagzeile in der BILD sowie wochenlang Häme und Spott auf allen anderen Kanälen. Wie kann man sich nur selbst so demütigen? Es folgten im Monat Oktober noch ein torloses Remis gegen den OFC sowie eine peinliche Heimpleite gegen den FC Homburg. Trainer Jörn Großkopf überlebte zwar den Oktober, nach der 0-3-Pleite Anfang November in Zweibrücken war dann aber auch für ihn Schluss. Zurecht.

Bilanz: 3 Spiele – 0S / 1U / 2N

 

Saison 2014/15
Am 3. Oktober 2014 wechselte Trainer Mink in der 51. Minute Tobi Damm ein, der keine Viertelstunde später für das zwischenzeitliche 2-0 beim 3-0-Heimerfolg der Löwen gegen Koblenz sorgte. Nach einer Niederlage in Mannheim gastierte Mitte Oktober dann mit dem 1. FC Saarbrücken der Tabellenführer im Estadio del Aue. In der 92. Minute umkurvte Tobias Damm Keeper David Hohs und erzielte den 2-1-Siegtreffer. Ein Unentschieden gegen Kaiserslautern II beendete dann den Monat Oktober, der für KSV-Verhältnisse vergleichsweise golden war. An einem bestand fortan jedenfalls kein Zweifel mehr: Tobi Damm kann Oktober!

Bilanz: 4 Spiele – 2S / 1U / 1N

 

Saison 2015/16
Wann griff Ex-Löwe Squipon Bektashi seinem Gegenspieler Benedikt Koep von Eintracht Trier ordentlich in die Klöten? Richtig, im Oktober! Die 0-2-Heimpleite inkl. roter Karte war der Auftakt zu einem mehr als beschissenen Oktober 2015. Nachdem die Löwenabwehr im darauffolgenden Spiel der SpVgg. Neckarelz ein spätes Ausgleichstor schenkte, brachte man in den übrigen drei Oktoberspielen ein Kunststück der besonderen Art fertig: Dreimal 0-0 in Folge. Erst Walldorf, dann Kaiserslautern II und zum Schluss auch noch Bahlingen. Mink’scher Beamtenfußball at its best!

Bilanz: 5 Spiele – 0S / 4U / 1N

 

Ausblick: Saison 2016/17
In der aktuellen Saison ist das Oktoberprogramm so vollgepackt wie nie zuvor: Der KSV startet mit zwei Heimspielen gegen Hoffenheim II und Ulm, es folgen Spiele in Koblenz und gegen Offenbach. Danach bestreitet der KSV in der Pfalz bei Kaiserslautern II sein Nachholspiel, muss dann zum VfB Stuttgart II und hat zum Abschluss des Monats die Wormatia aus Worms zu Gast. Insgesamt sieben Spiele wird der KSV bestreiten, weil sich der DFB offenbar vorgenommen hat, die halbe Rückrunde der Saison bereits in diesem Jahr auszutragen. Vier der sieben Spiele finden im Auestadion statt, dort wusste der KSV bisher zu gefallen und dennoch warten im Monat Oktober schwere Brocken auf den KSV. Das Verletzungspech, das insbesondere Stammspieler wie Welker und Korb ereilte, macht die Situation in den kommenden Wochen nicht leichter.

 

Fazit
So fällt die Gesamtbilanz der letzten zehn Jahre aus: Von 38 Oktoberspielen gewann der KSV gerade einmal acht, spielte 14 Mal Unentschieden und ging 16 Mal als Verlierer vom Platz. Der Eindruck, dass im Monat Oktober besonders häufig der Karren an die Wand gefahren wird, ist so falsch also nicht. Selbst in der Meistersaison holte man im Oktober gerade mal vier Punkte aus vier Spielen. Die nackten Tatsachen werden jedoch verschärft durch den gleichzeitig einhergehenden Leistungsabfall: in die Saison kommt der KSV in der Regel recht gut. In der aktuellen und auch in der vorherigen Saison reichte es kurzzeitig sogar für die Tabellenführung. Doch dann kommt der Oktober und die Spieler agieren so, wie Gerald Asamoah es einmal beschrieben hat: „Dann bekomme ich den Ball und das ist das Problem!“

Vielleicht sind es die gestiegenen Erwartungen des nordhessischen Umfelds, die dafür sorgen, dass man am Ende des Oktobers immer irgendwie schlechter dasteht als vorher. Wenn dem so ist, macht das Mut für die anstehenden Wochen. Vom „Uffstiech“ redet beim KSV derzeit keiner mehr, die Erwartungen an Trainer und Mannschaft machen sich nicht an Tabellenplätzen fest. Vielmehr ist von ehrlichem Fußball, Bodenständigkeit und realistischen Zielen die Rede. Dies macht also Hoffnung, dass die von Jörn Großkopf mal beschriebenen Rucksäcke gar nicht erst auf den Schultern der Spieler lasten und auch die Tresore auf der Brust nicht zu schwer wiegen.

Ganz nebenbei zeichnet sich in den vergangenen Jahren auch eine durchaus gewinnbringende Konstante ab. Tobi Damm hat in den vergangenen Jahren im Oktober stets geglänzt, man denke nur an den oben beschriebenen Siegtreffer gegen Saarbrücken vor zwei Jahren. Mit Kapitänsbinde am Arm und wiedergefundenem Killer-Instinkt vorm Kasten dürfte unser dienstältester Löwe eine wichtige Rolle in den kommenden Wochen spielen.

Also Leute, runter von der Couch und ab ins Stadion! Vergesst die Statistik der vergangenen Jahre! Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran!

damm
Gut gelaunter Hoffnungsträger für einen Goldenen Oktober: Do it again, Tobi!

Ein Gedanke zu “Mythos „Goldener Oktober“”

  1. Sieht so aus als ob auch dieses Mal die goldene Oktobersonne eher woanders strahlt als im Südstadtoval, wo im ersten Oktobermatch der Regen Hunderte Zuschauer in die Kanalisation gespült zu haben scheint.
    Neben etlichen Anderen fehlt dann auch folgerichtig der im Artikel auserkorene Hoffnungsträger und der Rest der Jugendmannschaft kann trotz hohem Aufwand das alles nicht mehr kompensieren.
    Das Team rutscht endgültig in den Tabellenkeller und ein Silberstreif ist am Horizont nicht auszumachen.
    Das nenne ich ‚mal eine klassische Oktober-Tristesse,,,,aber es kommen ja noch ein paar Spiele.

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