Chronologie eines Masterplans: KSV zeigt Meisterleistung in Sachen Eigenwerbung

Was war das für eine Woche aus Löwensicht? Am Samstag, den 17. September, wurde in der ARD Sportschau bekannt, dass das Tor von Basti Schmeer gegen Eintracht Trier mit 29,4% der Stimmen von den Zuschauerinnen und Zuschauern zum Tor des Monats August 2016 gewählt wurde. Als sei das alles noch nicht abgefahren genug, brachten Blog36 und der Hessische Rundfunk in den darauffolgenden Tagen nach und nach eine Sensation ans Tageslicht: Bastis Tor war kein Zufallsprodukt! Es war Teil eines Masterplans, der einzigartig ist in der Geschichte des deutschen Fußballs. Stand das Tor des Monats nämlich bis dahin für den außergewöhnlichen, unberechenbaren, untrainierbaren Moment, ist diese ‚Institution der Sportschau‘  jetzt von einem Viertligisten entzaubert worden. Den Verantwortlichen gebührt Hochachtung und Respekt. Wir rekapitulieren aus unserer Sicht.

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Aus einem genialen Plan wird Fußballgeschichte:
Der KSV entzaubert das ‚Tor des Monats‘

+++ Samstag 17. September: Ein Verdacht regt sich +++

Ein verregneter samstäglicher Herbstabend. Es ist ungemütlich. Wir, also ein paar Blogger von Blog36, machen uns auf den Weg in eine verrauchte Kneipe im Vorderen Westen um zu feiern. Der Fallrückzieher der Basti Schmeer zum Torschützen des Monats August machte, bringt uns in Bierlaune. Kaltgetränk um Kaltgetränk wird bestellt. Wieder und wieder läuft auf unseren mobilen Endgeräten der Treffer. Wir können uns gar nicht daran satt sehen, bis einem von uns auf einmal der Atem stockt: „Seht mal. Cralle flüstert dem Basti vor seiner Einwechselung noch was zu !“ Nach mehrmaligem Vor und Zurück meinen wir Cramers Lippen gelesen zu haben: „Basti, zeig der Welt, dass du besser bist als Alonso“. „Moment“, wendet ein anderer von uns ein, „war nicht Xabi Alonso auch in der Auswahl zum Tor des Monats?“ „Genau“, sagt der Dritte geschockt und ergänzt: „Aber woher in Hergottsnamen wusste Cralle das zu diesem Zeitpunkt?“ Kurzes Schweigen. Nachdenkliche Mienen. „Leute“, sagte wieder der Erste, „ich halte ja nix von Aluhüten und so, aber das war niemals ein Zufallsprodukt. Das Ding war geplant.“ Großes Erstaunen im Lokal. Kann das sein? Kann man ein Tor des Monats planen? Falls ja, dann hätte der KSV ohne Frage Geschichte geschrieben. Im Lauf des Abens verliert sich der Gedanke vorerst in Hütt-Naturtrübem.

+++ Sonntag 18. September: Das Puzzle fügt sich +++

Ein Spieler – den wir aus Gründen des Zeugenschutzes in der Folge „Maulwurf“ nennen – spielt uns am Folgetag per whatsapp ein Foto zu. Der in der Bierlaune geweckte Verdacht verhärtet sich auf einen Schlag. Auf dem Bild zu sehen ist nämlich eine Zeichnung samt fußballtypischer Taktiktafel. Zwei Dinge sind für uns eindeutig zu erkennen: Die Lehrer-Handschrift Coach Cramers und das Tor des Monats als taktische Anweisung. Der Quellcode des Fotos verrät zudem, dass die Zeichnung vor dem Spiel aufgenommen wurde. Das Puzzle beginnt sich für uns zu fügen. Wir wollen auf Nummer sicher gehen und machen einen Ausflug in das Sprachlabor vom Fachbereich 02 der Uni Kassel. Wir zeigen das Video den ortsansässigen Linguisten. Auch ohne Bier kommen die sympathischen Nerds zum gleichen Ergebnis wie wir: „Zeig der Welt, dass du besser bist als Alonso“. Cramer hatte es wirklich gesagt!

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Von einem „Maulwurf“ zugespielt:
Der Plan der zum Tor führte

+++ Montag 19. September: Nebelkerzen und ein wegweisender Entschluss +++

Am Montag nach Bekanntgabe des Tor des Monats empfiehlt die HNA dann den KSV Vereinsverantwortlichen, dieses schöne Tor doch zum Anlass zu nehmen um endlich wieder positive Eigenwerbung zu betreiben. Ahnt die HNA-Sportredaktion etwa nicht, was wir schon glauben zu wissen? Ist das Tor nicht selber schon eine Marketingaktion per excellence? Es ist doch ein genialer Plan, das mit dem neuen Sponsor frisch beflockte Trikot einem Millionenpublikum zu zeigen. Und nebenbei scheibt man mal eben Fußballgeschichte.

Wir entschließen uns noch am selben Tag über den Vorgang zu berichten, aber nicht irgendwie. Als wenig beachteter Blog der krampfhaft im Schatten eines Viertligisten um Aufmerksamkeit ringt, denken wir: „Klar, die Wahrheit muss ans Licht. Aber als Verkünder der Wahrheit wollen wir einen Teil des Kuchens. Wir verbinden die Enthüllung mit einer Blog36 PR-Kampagne, die sich gewaschen hat“. Wir wägen ab, was dem Tor als Aktion angemessen wäre. Was meinte wohl die HNA, als sie schrieb: „Der KSV täte gut daran, die Auszeichnung für seinen Spieler (…) ideenreich zu vermarkten.“ Wir überlegen lange und verwerfen schließlich einige gute aber eben nicht sehr gute Ideen, wie die eines „Tor des Monats-Songs“, Ahle Worschd Messer, Strümpfe, Fußmatte, Nagelknipser, Wackeldackel, Schneidebrettchen, Unterwäsche… „Schuster bleib bei deinen Leisten“ denken wir stattdessen und entscheiden uns für das gute alte Mottoshirt. Das hat schließlich schon immer seinen Zweck erfüllt. Um Arbeit zu sparen nehmen wir das Foto, dass uns der „Maulwurf“ zuspielte als Motiv. Weil es uns nie ums Geld geht, entschließen wir uns außerdem die Shirts gegen eine Spende an die Streetbolzer in Kassel rauszugeben. Die sind nämlich nicht nur cool, sondern außerdem die verkannte Talentschmiede des KSV.

+++ Dienstag 20. September: Shirts ‚made in Cassel‘ und ein altes Interview +++

In einer Hinterhofwerkstadt der Kasseler Nordstadt werden in der Nacht zum Dienstag mit freundlicher Unterstützung des dort ansässigen Color Labors die Shirts gedruckt. Wir lesen währenddessen alte Blog36-Beiträge und stolpern über unsere Rubrik „3,6 Fragen an…“. Am 7. September hatten wir mit Basti Schmeer noch gesprochen, er erzählte ausführlich, wie es zu dem Tor kam, verschwieg damals aber, dass ein Masterplan des Vereins dahinterstand. Allerdings bekamen einige seine Worte mit dem neuen Wissen eine tiefere Bedeutung: „Jetzt mit nem bisschen Abstand ist es natürlich eine schöne Sache, dass es von der ARD ausgewählt wurde. Der Verein kommt endlich wieder in der Sportschau vor! Das ist doch das, was sich die Meisten schon seit Jahren wünschen und ich bin dran schuld. (strahlt)“. Plötzlich macht alles Sinn: Das Tor sollte Anlass für einen klammen Verein sein, sich im TV zur besten Sendezeit in einer der beliebtesten Fernsehsendungen zu präsentieren – ohne dafür auch nur einen müden Euro hinzulegen. Ein Plan zwischen Genialität und Gerissenheit. Doch wer hat sich den überlegt? Ging es vom Trainer selbst aus? Kam die Instruktion von ganz oben? War es die neue und eifrige Pressesprecherin Alexandra Berge? Marketing-Vorstand Daniel Bettermann? Oder gar der erste große Coup des neuen Vermarkters Michael Krannich? Allen wäre es zuzutrauen.

+++ Mittwoch 21. September: Der HR übernimmt! +++

Voller Tatendrang bauen wir vor dem Heimspiel gegen den FC 08 Homburg unseren Stand auf. Wir wollen unsere Shirts gegen Spende verteilen und unsere Botschaft verkünden. Das Problem: Der KSV-Gemeinde ist an diesem Tag relativ schnuppe, was wir zu sagen haben. Auf Fragen wie: „Was denkt ihr denn über Cralles Masterplan? War das nicht ein genialer Schachzug vom Verein?“ bleibt die von uns erhoffte Reaktion aus. Kein: „Was wären wir nur ohne wahrheitsliebende Menschen wie euch vom Blog36?“Stattdessen: Warmer Händedruck, Spende abgedrückt, T-Shirt an und ab ins Stadion. So hatten wir uns das nicht vorgestellt. Ein schwacher Trost: die T-Shirts gehen immerhin weg wie warme Semmeln. Nur ein paar XXL Exemplare bleiben am Ende übrig.

Dann aber passiert das Unerwartete: Um unseren Stand herum tummelt sich plötzlich ein Kamerateam vom HR. Mitten drin der zuständige Redakteur Florian Naß. Für Fans des KSV ist er kein unbeschriebenes Blatt. Bei vielen großen TV-Auftritten der Löwen hatte Naß bereits seine Finger im Spiel. Sowohl das Aufstiegsspiel gegen den FSV als auch das Relegationsspiel gegen Kiel hatte er ja moderiert. Zu unserer Verwunderung zeigten die Jungs vom HR die erhoffte Reaktion, die von den Löwenanhängern ausblieb. Wir fühlen uns endlich nicht nur verstanden, sondern sind umgekehrt verblüfft. Denn der HR verspricht uns filmerisches Material, das eindeutig belegen würde, dass Schmeers Tor kein Zufallsprodukt war! Hatte der „Maulwurf“ etwa auch den HR informiert? Oder verarschten uns die cleveren Südhessen nur, um mehr Informationen aus uns Mediengrünschnäbeln heraus zu pressen?

Etwas irritiert, ob wir ihnen trauen konnten und sicherlich auch etwas beleidigt, weil uns der „Maulwurf“ kein Videomaterial zuspielte, hören wir dennoch gespannt weiter zu; schon alleine deshalb weil die Jungs mehrfach durchblicken lassen, dass ihnen unsere Vorrecherche geholfen hat, um das Bildmaterial  als das zu deuten was es zu belegen schien. Und überhaupt sei der HR nur an der Wahrheit interessiert. Das Eis ist gebrochen. Wir teilen mit dem HR unser Wissen und bestätigen, dass wir Trainerfuchs Cralle – bis auf den Rotationsaussetzer gegen Lohfelden – ohnehin für ein Genie hielten, dem der Schachzug prinzipiell zuzutrauen sei und überhaupt: Beim KSV sind Sport und Marketing doch so hervorragend aufeinander abgestimmt. Das war schon immer so und hat sich nochmal deutlich verbessert, seit der Verein im Sommer die Neuausrichtung wagte, auf regionale Spieler setzt und neue Besen in den Vorstand einzogen, die ja bekanntlich immer gut kehren. Man merkt deutlich, dass da eine Hand in die andere greift. Denen sei die Marketingstrategie „Tor des Monats“ durchaus zuzutrauen – das sieht ganz nach dem vorläufigen Meisterstück von Bettermann, Berge, Krannich & Co aus. Uneigennützig überliefern wir dem HR unsere Taktikskizze , führen sie in die Hinterhofdruckerei und geben ihnen natürlich auch ein T-Shirt mit.

+++ Sonntag 25. September: Tag der Wahrheitsverkündung +++

Am Sonntag dann der Tag der Wahrheit in der Sportschau. Die Bilder fügen sich zusammen. Unsere Blog36-PR-Aktion samt Hinterhofdruckerei sind zu sehen und dann das Videomaterial vom „Maulwurf“: Cralle hält die Kabinenansprache, dann mit einer Drohne sensationell gefilmtes Geheimtraining im Kasseler Auestadion: Langer Ball von Hardy, Kopfballverlängerung Tobi Damm und dann dieser sagenhafte Fallrückzieher von Basti Schmeer. Es ist vollbracht. Die Wahrheit ist am Tageslicht: Zum ersten Mal in der Fußballgeschichte hat ein Viertligist das Tor des Monats aus langer Hand geplant und dann tatsächlich gewonnen, genauso wie Cralle es in der Kabinenansprache prophezeite. Mit offenen Mündern sitzen wir vorm Fernseher. Uns ist die Dimension des Ganzen noch gar nicht bewusst. Hobby-Blogger decken gemeinsam mit einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt einen einzigartig genialen, strikt geheimen Plan auf? Wir sind selbst völlig verblüfft.

+++ Seit Montag 26. September: Warten auf das Medienecho +++

Voller Vorfreude warten wir auf die Würdigung durch die bundesdeutsche Fußballöffentlichkeit. Müssten jetzt nicht im Sport 1-Doppelpass Thomas Helmer, Thomas Strunz und Peter Neururer darüber philosophieren, ob nachdem ja nun das Tor des Monats entzaubert sei, die Sportschau dicht machen müsse? Ist das nicht der Stoff aus dem die besten 11Freunde-Artikel geschrieben sind á la ‚Nordhessischer Viertligist führt spanischen Weltmeister vor‘? Müsste jetzt nicht das Herz vom Fußballästheten Arndt Zeigler höher schlagen? Nicht zuletzt auch deshalb weil die Sportschau endlich den Sendeplatz für sein „Kacktor des Monats“ frei machen würde? Und wie ist es um die lokale Medienlandschaft bestellt? Müsste sich nicht eigentlich die HNA-Sportredaktion bei Blog36 melden? Wenn die Nordhessen Shkodran Mustafi, Yunus Malli, Marc Stendera und André Schubert auf nationaler wie internationaler Ebene in die Schlagzeilen kommen, berichtet die HNA ja zurecht in epischer Breite. Und auch der Extra-Tip, der im Vorfeld des Homburg-Spiels bereits kurzfristig über die T-Shirt-Aktion berichtete, müsste sich doch eigentlich melden. Extra Tip Chef Rainer Hahne ist bezogen auf den KSV schließlich das, was Olli Kahn einen „positiven Verrückten“ nennen würde. Für uns ist klar: Die Sportschau kann nur der Anfang sein von einem Medienecho, das sich gewaschen hat… Seitdem warten wir…Manchmal mahlen die Mühlen halt langsamer… Gut Ding will Weile haben.

Zugegeben, etwas vorläufige Ernüchterung kehrt dann doch bei der pflichtgemäßen HNA Lektüre ein. Wir staunen nicht schlecht als wir lesen, dass die Jungs alles für einen mäßigen Witz halten. Nach Sherlock-Holmes-Manier führen sie sogar mangelndes schauspielerisches Talent unserer Kicker als Gegenbeweis zum Enthüllungsjorunalismus der Sportschau an. Ist da etwa wer beleidigt, weil es keine Post vom „Maulwurf“ gab? Wir wissen es nicht, sind aber gespannt auf das weitere Echo.

2 Gedanken zu „Chronologie eines Masterplans: KSV zeigt Meisterleistung in Sachen Eigenwerbung“

  1. Totreiten? Sicher nicht. Das war erst der Anfang! ;-)
    Nee, du hast sicher recht: Blog36 wird schon bald wieder den Blick nach vorne richten. Der Goldene Oktober steht ja vor der Tür…

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  2. Nu schicket’s aber auch ‚mal wieder mit das Thema…nit totreiten!
    Nun wieder alle Augen auf Hoppelheim Zwo, unseren Angstgegner im Auestadion.
    Hoppelheim Uno dagegen war ja gut!

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